Update Vergabe 11.11.2025

VwGH zum Rechtsschutz bei Rahmenvereinbarungen

Will ein Rahmenvereinbarungspartner einen Direktabruf aus der Rahmenvereinbarung anfechten, muss er dies mittels Feststellungsantrag tun. Voraussetzung ist ein „Interesse am Auftrag“. Der VwGH befasste sich in seiner Entscheidung mit der Frage, wann ein solches Interesse tatsächlich vorliegt.
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Rechtlicher Kontext

Ein Feststellungsantrag ist als subsidiärer Rechtsbehelf konzipiert: Nach § 354 Abs 4 BVergG 2018 ist er nur zulässig, wenn der behauptete Verstoß nicht bereits mit einem Nachprüfungsantrag geltend gemacht werden konnte.
Ein Anwendungsfall ist die Bekämpfung eines Direktabrufs aus einer Rahmenvereinbarung: Hier müssen Auftraggeber:innen keine gesondert anfechtbare Zuschlagsentscheidung bekannt geben. Vor Vertragsabschluss ist daher auch kein Nachprüfungsantrag möglich, sondern es kommt nach § 353 Abs 4 BVergG ein Feststellungsantrag in Betracht.

Generell verlangt § 353 Abs 1 BVergG für die Antragslegitimation im Feststellungsverfahren, dass der Unternehmer

– ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich des BVergG 2018 unterliegenden Vertrages hatte und

– ihm durch das Vorgehen des Auftraggebers ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.

Ausgangslage

Die Auftraggeberin schloss auf Grundlage einer von der Bundesbeschaffung GmbH durchgeführten Ausschreibung über COVID-19-Testungen eine Rahmenvereinbarung mit mehreren Unternehmer:innen ab. Das Los „West“ war in sechs Bundesländer unterteilt, wobei die Bieter im Vergabeverfahren über die Rahmenvereinbarung ihr Angebot hinsichtlich einzelner oder für alle Bundesländer abgeben konnten.

Die Auftraggeberin führte einen Direktabruf für Schulen in allen sechs Bundesländern durch. Sie beauftragte daher einen Rahmenvereinbarungspartner, der für alle dieser Bundesländer ein Angebot gelegt hatte. Ein nicht zum Zug gekommener Rahmenvereinbarungspartner beantragte beim BVwG die Feststellung, dass der Direktabruf rechtswidrig erfolgt sei.

Der Antragsteller argumentierte, die Auftraggeberin hätte wegen geänderter Leistungsbedingungen einen erneuten Aufruf zum Wettbewerb durchführen müssen. Die Auftraggeberin entgegnete, der Antragsteller habe für drei der sechs betroffenen Bundesländer nicht einmal ein Angebot gelegt. Ihm fehle daher das Interesse am Vertragsabschluss und somit die Antragslegitimation. Das BVwG sah das anders, gab dem Antrag statt und verhängte eine Geldbuße gegen die Auftraggeberin in Höhe von EUR 350.000,–.

Entscheidung des VwGH

Der VwGH hob das Erkenntnis auf und stellte klar: Ein Interesse am Vertragsabschluss im Zeitpunkt der Zuschlagserteilung ist nur dann plausibel dargelegt, wenn der Rahmenvereinbarungspartner für den betreffenden Leistungsteil ursprünglich tatsächlich ein Angebot gelegt hatte. Wer für bestimmte Leistungsteile – hier: Testungen in Salzburg, Tirol und Vorarlberg – kein Angebot abgegeben hat, kann auch kein Interesse an einem Zuschlag für diese Regionen geltend machen. Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen kann auch ein Unternehmer ohne Angebotslegung antragslegitimiert sein, etwa wenn rechtswidrige Vorgaben die Teilnahme am Verfahren objektiv unmöglich machen. Ein solcher Ausnahmefall lag hier aber nicht vor. Da der Auftraggeber einen einheitlichen Direktabruf für alle sechs Bundesländer durchführte, fehlte dem Antragsteller trotz Angebotslegung in drei Bundesländern insgesamt die Antragslegitimation. Der Antragsteller machte zudem im Feststellungsverfahren nicht geltend, dass der Direktabruf getrennt je Bundesland zu erfolgen gehabt hätte und er daher zumindest in drei Bundesländern antragslegitimiert gewesen wäre.

Fazit

Der VwGH stellt klar: Rechtsschutz bei Direktabrufen aus einer Rahmenvereinbarung steht nur jenen Rahmenvereinbarungspartnern zu, die für den konkreten Leistungsteil ein Angebot gelegt haben. Wer beim Abschluss der Rahmenvereinbarung für einen bestimmten Leistungsbereich kein Angebot abgegeben hat, kann spätere Direktabrufe in diesem Bereich mangels Interesses am Auftrag nicht anfechten. Das bloße Bestehen einer Rahmenvereinbarung oder ein allgemeines wirtschaftliches Interesse genügen nicht. Für die Praxis gilt: Nur wer tatsächlich mitbietet, kann auch mitreden.

Gregor Saxinger

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