VwGH: Wichtige Klarstellung zum Rechtsschutz bei Rahmenvereinbarungen
Verfahren zur Vergabe einer Rahmenvereinbarung enden mit deren „Abschluss“ und nicht mit „Zuschlag“. Erst aufgrund einer abgeschlossenen Rahmenvereinbarung werden „Zuschläge“ erteilt. In der Praxis werden diese Begriffe oft vermengt – und auch das BVergG ist in der Differenzierung nicht immer stringent. Das BVwG nahm den Gesetzeswortlaut sehr ernst und verneinte in einem Feststellungsverfahren seine Zuständigkeit. Der VwGH stellt die Sache klar.- EuGH
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Rechtlicher Kontext und Problemstellung
Feststellungsverfahren finden grundsätzlich nach Abschluss oder Widerruf eines Vergabeverfahrens statt. Sie sollen Unternehmern in Konstellationen Rechtsschutz gewähren, in denen sie einen Vergaberechtsverstoß nicht im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens, also während eines laufenden Vergabeverfahrens, geltend machen konnten.
Für den Vollziehungsbereich des Bundes knüpft § 334 Abs 3 BVergG die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für Feststellungsverfahren daher an den bereits erteilten Zuschlag. Doch was bedeutet dies für Rahmenvereinbarungen? Obwohl Vergabeverfahren zur Vergabe einer Rahmenvereinbarung nicht mit einem „Zuschlag“ sondern mit dem „Abschluss der Rahmenvereinbarung“ enden, nimmt § 334 Abs 3 BVergG auf diesen Fall nicht Bezug. (arg: „Nach Zuschlagserteilung ist das Bundesverwaltungsgericht zuständig […]“; vgl für Feststellungsverfahren nach einem Widerruf Abs 4 leg cit).
Ausgangssachverhalt
Eine öffentliche Auftraggeberin schloss im Jahr 2018 eine Rahmenvereinbarung ab und verlängerte sie in der Folge. Eine Mitbewerberin der Rahmenvereinbarungspartnerin erachtete diese Verlängerungen als vergaberechtswidrig; die Rahmenvereinbarungspartnerin sei nämlich aufgrund einer Gesetzesänderung nicht mehr zur Leistungserbringung befugt. Sie stellte daher beim BVwG einen Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des (Neu-)Abschlusses der Rahmenvereinbarung.
Das BVwG wies den Antrag zurück. Unter Verweis auf den oben zitierten Gesetzeswortlaut vertrat es die Ansicht, erst nach Erteilung eines Zuschlags aufgrund der Rahmenvereinbarung zuständig zu sein.
Das Erkenntnis des VwGH
Der VwGH hält zunächst fest, dass gemäß ständiger Rechtsprechung die Aufzählung der gesetzlich normierten Zuständigkeiten des BVwG abschließend ist. Auch wenn diese Zuständigkeiten ausdrücklich auf die „Zuschlagserteilung“ abstellen, sei aber aus folgenden Erwägungen auch der Abschluss einer Rahmenvereinbarung erfasst:
Zunächst stelle nach der Definition der zugrundeliegenden EU-Rechtsschutzrichtlinie (Art 1 der RL 92/13/EWG) eine Rahmenvereinbarung einen Auftrag dar. Gemäß den Erläuterungen zum Begriff der Zuschlagserteilung des BVergG handelt es sich dabei um einen Akt des Vertragsabschlusses bzw um eine Auftragserteilung. Betrachtet man die gegenständliche Frage unter diesen beiden Gesichtspunkten, ist der Abschluss einer Rahmenvereinbarung vom Begriff des Zuschlags erfasst.
Zudem darf die Ausübung des Rechts auf Nachprüfung, wie der EuGH bereits wiederholt festgehalten hatte, nicht davon abhängig gemacht werden, dass ein Vergabeverfahren formal ein bestimmtes Stadium erreicht (EuGH 24.03.2021, C-771/19). Es wäre dem Rechtsschutz suchenden Unternehmen nicht zuzumuten, einen gesonderten Zuschlag auf Basis einer rechtswidrig abgeschlossenen Rahmenvereinbarung abzuwarten, da ansonsten die Effektivität des Rechtsschutzes beeinträchtigt würde. Im Ergebnis muss daher der Begriff der Zuschlagserteilung für die gegenständliche Fallkonstellation den Abschluss einer Rahmenvereinbarung umfassen. Damit ist nach Ansicht des VwGH auch die Zuständigkeit des BVwG zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des Abschlusses einer Rahmenvereinbarung gegeben.
Fazit
Der VwGH erweitert den Rechtsschutz von Feststellungswerbern über den Wortlaut des BVergG hinaus. Zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes kann ein Rechtsschutz suchendes Unternehmen beim BVwG die Feststellung des rechtswidrigen Abschlusses einer Rahmenvereinbarung begehren. Es muss also bei rechtswidrigen Rahmenvereinbarungsabschlüssen nicht erst eine Zuschlagserteilung auf Basis der Rahmenvereinbarung (Abruf) abwarten.
Sebastian Feuchtmüller / Lukas Ludvik