Update Vergabe 21.02.2023

VwGH: Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung nach Widerruf – wer ist zwingend einzuladen?

Eine öffentliche Auftraggeberin hatte ein Vergabeverfahren mangels passender Angebote widerrufen und führte im Anschluss ein Verhandlungsverfahren ohne vorheriger Bekanntmachung durch. Eine der ursprünglichen Bieter:innen lud sie dabei nicht mehr ein. Ob diese Vorgehensweise rechtskonform ist, hängt von der Auslegung des Begriffs des „ungeeigneten“ Angebots ab.
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Rechtlicher Kontext

Das Vergaberecht sieht sowohl in § 34 letzter Satz, als auch in § 35 Abs 1 Z 1 BVergG 2018 die Möglichkeit der Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung vor. In beiden Fällen ist der Verzicht auf die Bekanntmachung – auf den ersten Blick – an das Fehlen von geeigneten Angeboten in einem vorangegangenen Vergabeverfahren geknüpft. Die genannten Gesetzesstellen ziehen jedoch unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich. Denn im Verfahren nach § 34 BVergG 2018 sind zwingend all jene Unternehmer:innen einzubeziehen, die im vorangegangenen Vergabeverfahren für geeignet befunden wurden und dem Gesetz entsprechende Angebote unterbreitet hatten. § 35 BVergG 2018 kennt keine derartige Beschränkung, setzt aber voraus, dass im Vorverfahren kein geeignetes Angebot abgegeben wurde. Für eine genaue Abgrenzung der beiden Tatbestände bedarf es der Interpretation des „ungeeigneten“ Angebots.

Sachverhalt

Nach Bekanntgabe der Zuschlagsentscheidung in einem Vergabeverfahren über Bauleistungen stellte eine unterliegende Bieterin einen Nachprüfungsantrag. Das Verwaltungsgericht erklärte den Zuschlag für nichtig, da das Angebot der Bestbieterin auszuscheiden gewesen wäre. Die Auftraggeberin widerrief daraufhin das Vergabeverfahren, weil die übrigen Angebote weit über dem internen Kostenrahmen der Auftraggeberin lagen. Der Kostenrahmen war in den Ausschreibungsunterlagen nicht angeführt.

Im Anschluss an den Widerruf führte die Auftraggeberin ein Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung über denselben Auftragsgegenstand durch. Dabei lud sie ein Unternehmen nicht zur Angebotslegung ein, das im ersten Verfahren ein ausschreibungskonformes Angebot abgegeben hatte. Die Auftraggeberin begründete ihre Entscheidung damit, dass im ersten Vergabeverfahren kein „geeignetes Angebot“ abgegeben worden sei. Denn alle Angebote hatten den internen Kostenrahmen überschritten.

Erkenntnis des VwGH

Für die Abgrenzung der beiden Paragraphen ist zu differenzieren, ob ein „unannehmbares“ Angebot oder „kein (im Sinne des Bundesgesetzes) geeignetes Angebot“ abgegeben wurde. Im Fall des „unannehmbaren“ Angebots sind im nachfolgenden Verfahren die Bieter:innen des ursprünglichen Verfahrens einzubeziehen. Bei „ungeeigneten“ Angeboten gibt es diese Beschränkung nicht.

Unannehmbare Angebote erfüllen die Ausschreibungskriterien, sind aber subjektiv aus Gründen wie etwa Unwirtschaftlichkeit nicht annehmbar. Im Gegensatz dazu erfüllt ein ungeeignetes Angebot schon die in den Ausschreibungsunterlagen genannten Anforderungen der Auftraggeberin nicht (vgl nunmehr § 35 Abs 2 BVergG 2018). Diese müssen dabei offensichtlich aus den Ausschreibungsunterlagen hervorgehen.

Da sich im konkreten Fall der überschrittene Kostenrahmen nicht in den Ausschreibungsunterlagen wiederfand, waren die Angebote zwar subjektiv für die Auftragnehmerin unannehmbar, jedoch objektiv geeignete Angebote im Sinne des Gesetzes und der Ausschreibungsunterlagen. Die Auftraggeberin hätte somit in den Kreis der Verhandlungspartner:innen alle (und nur jene) Bieter:innen des ursprünglichen Verfahrens einbeziehen müssen, die im vorangegangenen Verfahren für geeignet befunden wurden und ein ausschreibungskonformes Angebot abgegeben hatten.

Fazit

Die (Un)Geeignetheit eines Angebots ist anhand der in den Ausschreibungsunterlagen festgelegten Bedingungen zu beurteilen. Aus Sicht des/der öffentlichen Auftraggeber:in kann es daher manchmal von Vorteil sein, interne Bedingungen wie etwa einen Kostenrahmen in den Ausschreibungsunterlagen fest- bzw offenzulegen. Hierdurch kann der Abgabe unannehmbaren Angeboten vorgebeugt werden und der/die Auftraggeber:in ist bei der Wahl der Bieter:innen im Verhandlungsverfahren freier.

Lukas Ludvik

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