Update Vergabe 09.12.2025

VwGH: Plausibilitätsprüfung von Angebotspreisen bei der Vergabe besonderer Dienstleistungen

Auch bei der Vergabe besonderer Dienstleistungen wie zB für die Durchführung von COVID-Tests ist eine Auftraggeberin zur vertieften Prüfung ungewöhnlich niedriger Angebotspreise verpflichtet. Wird der niedrige Preis dann zum Streitpunkt in einem Nachprüfungsverfahren, kann sich ein Verwaltungsgericht nicht darauf beschränken, die Ordnungsgemäßheit des Prüfvorgangs durch die Auftraggeberin zu bestätigen.
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Neuerungswert
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Rechtlicher Kontext

Besondere Dienstleistungen sind im Anhang XVI des BVergG 2018 aufgezählt und unterliegen gemäß § 151 BVergG 2018 einem erleichterten Regime. Dazu zählen beispielsweise Dienstleistungen des Gesundheits- und Sozialwesens, im Bildungs- und Kulturbereich, Rechtsanwaltsdienstleistungen, Sicherheitsdienstleistungen und Postdienste.

Öffentliche Auftraggeber:innen müssen bei der Vergabe besonderer Dienstleitungen den Grundsatz der Vergabe zu angemessenen Preisen beachten (§§ 151 Abs 1 iVm 20 Abs 1 BVergG 2018). Beim Umgang mit ungewöhnlich niedrig erscheinenden Preisen genießen Auftraggeber:innen aber bei besonderen Dienstleistungen einen weiteren Spielraum, weil § 127 BVergG 2018 über die Prüfung der Angemessenheit der Preise und die vertiefte Angebotsprüfung nicht anwendbar ist.

Ausgangsfall

Die Republik Österreich führte über die BBG ein Vergabeverfahren zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung zur Durchführung von COVID-19-PCR-Testungen an Schulen gemäß den Bestimmungen über die Vergabe besonderer Dienstleistungen durch. Insgesamt langten drei Angebote ein. Die Bestbieterin bot einen deutlich niedrigeren Angebotspreis als ihre Mitbewerberinnen an.

Die Auftraggeberin forderte die Bestbieterin zur schriftlichen Aufklärung der Kalkulation aller Einheitspreise auf und ließ das Angebot zudem in analoger Anwendung der Preisprüfungsregelungen des klassischen Bereichs (vgl § 137 BVergG 2018) durch eine Steuerberatungsgesellschaft auf ihre betriebswirtschaftliche Plausibilität prüfen. Nachdem die Preisplausibilität bestätigt wurde, traf die Auftraggeberin ihre Zuschlagsentscheidung zu Gunsten der Bestbieterin. Eine unterlegene Bieterin beantrage die Nichtigkeit der Zuschlagsentscheidung wegen des auffällig niedrigen Preises. Das Bundesverwaltungsgericht erachtete die Vorgehensweise der Auftraggeberin zur Angemessenheitsprüfung als ausreichend und wies den Nachprüfungsantrag ab. Auf eine neuerliche Plausibilitätsprüfung verzichtete das Gericht.

Entscheidung des VwGH

Der VwGH hob das Erkenntnis des BVwG auf und stellte klar: Ein Nachprüfungsgericht hat bei der Prüfung der Preisangemessenheit von Angeboten in einem Verfahren über besondere Dienstleistungen gemäß § 151 Abs 1 iVm § 20 Abs 1 letzter Satz BVergG 2018 nicht nur zu prüfen, ob die Angemessenheit von sachkundigen Personen auf Grund ausreichend detaillierter Unterlagen geprüft worden ist. Vielmehr hat das Gericht die vorliegenden Unterlagen selbstständig auszuwerten und zu beurteilen, ob der Preis betriebswirtschaftlich erklärbar wirkt. Ob eine sachverständige Prüfung notwendig ist, hängt vom Einzelfall ab.

Fazit

Der VwGH verlangt auch bei der Vergabe besonderer Dienstleistungen eine eigenständige, inhaltlich gründliche Plausibilitätsprüfung nicht nur durch die Auftraggeberin, sondern auch durch das Nachprüfungsgericht. Eine bloße Übernahme der Einschätzung der Auftraggeberin genügt nicht.

Sebastian Feuchtmüller / Anika Kaltenegger

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