Update Vergabe 11.06.2024

Klimaschutz und Menschenrechte entlang der Lieferkette

Bereits seit Februar 2022 lag ein Vorschlag für die EU-Lieferkettenrichtlinie vor. Er gilt als großer Wurf, entsprechend lang und steinig war der Weg zur finalen Fassung. Wenige Wochen vor der EU-Wahl musste die Richtlinie durch den Rat der Europäischen Union noch adaptiert werden. Entgegen den Erwartungen Vieler hat sie es nun doch noch über die Ziellinie geschafft. Worauf man sich geeinigt hat? Ein Überblick.

Das Grundproblem

Kinderarbeit, unzureichende Sicherheit am Arbeitsplatz, immense Treibhausgasemissionen oder Schädigung von Ökosystemen. Die EU-Lieferkettenrichtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD), im Folgenden: „Richtlinie“) greift diese Probleme auf und nimmt bestimmte Unternehmer:innen in die Pflicht. Sie müssen die durch ihre Tätigkeiten verursachten negativen Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt ermitteln und vermeiden, abschwächen oder beheben (Sorgfaltspflichten).

Wer ist betroffen?

Direkt adressiert die Richtlinie nur große Unternehmer:innen und unterscheidet nicht zwischen einer privaten oder öffentlichen Eigentümerstruktur. Maßgeblich sind nur die Rechtsform und nachstehende Kennzahlen:

Als unmittelbare:r Adressat:in der Richtlinie müssen große Unternehmer:innen für ihre Wertschöpfungskette einstehen. Das heißt, sie werden Nachweise von ihren vorgelagerten (direkten und indirekten!) Geschäftspartner:innen einfordern müssen. Auch in der nachgelagerten Wertschöpfungskette sind direkte Geschäftspartner:innen in den Bereichen Transport, Lagerung und Vertrieb betroffen. Unabhängig vom beschränkten direkten Adressatenkreis ist somit davon auszugehen, dass die tatsächlichen Auswirkungen der Richtlinie vor Unternehmensgrößen keinen Halt machen werden.

Auch für öffentliche Auftraggeber:innen wird die Richtlinie in der Praxis eine Rolle spielen, unabhängig von Rechtsform und Kennzahlen. Unternehmer:innen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit schwere arbeits-, sozial- und umweltrechtliche Verfehlungen begangen haben, sind bekanntlich zwingend auszuscheiden. Auch ist in der Ausschreibung selbst vorzusehen, dass die Angebotserstellung unter Berücksichtigung der geltenden arbeits-, sozial- und umweltrechtlichen Bestimmungen zu erfolgen hat. Die angebotene Leistung darf in ihrer (vorgelagerten) Lieferkette somit keine derartigen Verfehlungen beinhalten. Im Ergebnis können also auch Auftraggeber:innen auf die Einhaltung der Verpflichtungen drängen und gewissermaßen zum „public watchdog“ werden.

Welche Sorgfaltspflichten gilt es zu beachten?

Die Sorgfaltspflichten in den Bereichen Menschenrechte und Umwelt müssen Teil der Unternehmenspolitik werden, wobei die Anforderungen über eine bloße Strategie für einen langfristigen Umgang hinausgehen.

So sind bspw tatsächliche und potenziell negative Auswirkungen der eigenen Tätigkeiten zu ermitteln. Es bedarf also einer Risikoeinschätzung und – daraus ableitend – einer Priorisierung der Prüfung der Geschäftspartner:innen. Zur Vermeidung und Behebung festgestellter tatsächlicher oder potenziell negativer Auswirkungen kann auf vertragliche Zusicherungen der Geschäftspartner:innen zurückgegriffen werden. Auch entsprechende Investitionen können notwendig werden; unter Umständen sind kleinere und mittlere Unternehmen (KMKU) bei der Einhaltung der Vorgaben zu unterstützen.

Die umfangreichen Sorgfaltspflichten schaffen damit eine Fülle neuer Ansatzpunkte, Bieter:innen im Rahmen der Auswahlprüfung zu vergleichen oder eine „Übererfüllung“ anderweitig zu honorieren.

Zeitplan

Voraussichtlich im Juni wird die Richtlinie im Amtsblatt der EU veröffentlicht werden. Sie tritt dann 20 Tage später in Kraft und muss von den Mitgliedstaaten binnen zwei Jahren umgesetzt werden. Unternehmer:innen haben somit noch etwas Zeit für eine gewissenhafte Vorbereitung. Vor dem Hintergrund möglicher Strafzahlungen und einer allfälligen zivilrechtlichen Haftung für Schäden sollte sie auch nicht ungenutzt bleiben. Wer also schon jetzt beginnt, ist nicht nur seiner Zeit voraus. Auch seinen Mitbewerbern.

Christoph Juricek

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