EuGH zur Rückforderung von ESI-Beihilfen bei Vergabeverstößen
Förderungen aus den Mitteln des Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds) können bei „Unregelmäßigkeiten“ gekürzt werden. Auch Vergaberechtsverstöße können solche „Unregelmäßigkeiten“ darstellen. Der EuGH hatte einen Fall zu beurteilen, bei dem mehrere Stellen in die Förderabwicklung involviert waren, aber nur eine von ihnen den Vergaberechtsverstoß verursacht hatte.- EuGH
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Rechtlicher Kontext
Ein wesentliches Ziel der Europäischen Union ist ihre Kohäsionspolitik, also die Stärkung des Europäischen Wirtschaftsraums. Als zentrales Instrument kommt dabei der Europäische Struktur- und Investitionsfonds (ESI-Fonds) zum Einsatz. Aber Vorsicht: „Unregelmäßigkeiten“ bei der Vergabe der Mittel des ESI-Fonds können zu „finanziellen Berichtigungen“, also Rückforderungen führen.
Ausgangsfall
Eine bulgarische Gemeinde wurde für einen Zuschuss im Rahmen des ESI-Programms „Umsetzung integrierter Städtebau- und Stadtentwicklungskonzepte 2014-2020“ ausgewählt. Zu diesem Zweck schloss sie – als federführendes Mitglied – einen Partnerschaftsvertrag mit einer kommunalen Gesellschaft ab (EOOD). Demnach wurde (nur) die Gemeinde unmittelbarer Vertragspartner der auszahlenden Behörde und hatte für involvierte Dritte (somit die EOOD) zu haften.
Der EOOD kam die Aufgabe zu, die Projekte operativ umzusetzen; zu diesem Zweck führte sie auch ein Vergabeverfahren zur Beschaffung von Elektrobussen durch. In diesem Vergabeverfahren wurden Unregelmäßigkeiten festgestellt, woraufhin die auszahlende Behörde gegenüber der Gemeinde (nicht gegenüber der Partnerin EOOD) eine finanzielle Berichtigung – der Beihilfe – im Ausmaß von 25% festsetzte. Gegen diese Behördenentscheidung erhob die Gemeinde ein Rechtsmittel, das bis zum Obersten Verwaltungsgericht ging und schließlich dem EuGH vorgelegt wurde.
Entscheidung des EuGH
Wer war „Begünstigte:r“ der ESI-Förderung?
Die Gemeinde vertrat die Auffassung, dass sie das Vorhaben nur einleitete und die EOOP für die Durchführung des Projekts zuständig (und damit Empfänger der Beihilfe) war. Von der Gemeinde den verkürzten Teil der Förderung zurückzuverlangen, sei damit nicht möglich. Der EuGH hielt aber fest, dass es für ein Vorhaben auch mehrere Begünstigte geben kann.
Wieso wird die Gemeinde in Anspruch genommen, wenn doch die EOOD gegen Vergaberecht verstoßen habe?
Der EuGH verwies dazu auf das nationale Recht und die vertraglichen Regelungen: Demnach hatte die Gemeinde den Verwaltungsvertrag mit der Behörde abgeschlossen und vertraglich die (finanzielle) Verantwortung für ihre Partner übernommen. Aus Sicht der Behörde kommt deshalb nur die Gemeinde als unmittelbar Rückzahlungspflichtige in Betracht, auch wenn die EOOD den Verstoß begangen hatte. Der EuGH wies darauf hin, dass vertraglich auch eine gesamtschuldnerische Haftung oder eine gänzliche Übertragung der Verantwortung auf die EOOD möglich gewesen wäre.
Wenn am Ende des Tages die EOOD die finanzielle Last tragen muss (Regress), verstößt ihre fehlende Parteistellung im Verwaltungsverfahren nicht gegen das Recht auf ein faires Verfahren (Art 47 GRC) und auf eine gute Verwaltung (Art 41 GRC)?
Nur wenn die EOOD gegenüber der betreffenden Verwaltungsbehörde für die Durchführung des Vorhabens finanziell verantwortlich sein sollte. Dann wäre nämlich die Möglichkeit, sich nur in einem zivilrechtlichen Regressverfahren zur Wehr zu setzen, nicht ausreichend. Schließlich kann darin der Erlass der finanziell berichtigenden Entscheidung nicht mehr bekämpft werden.
Fazit
Eine klare Aufteilung der Verantwortlichkeiten gegenüber der auszahlenden Behörde ist besonders wichtig. Sofern beide Projektpartner gegenüber der Behörde als „finanziell Verantwortliche“ auftreten, haben auch beide Parteistellung, wenn es tatsächlich zu einer finanziellen Berichtigung kommt. Noch wichtiger ist, keine Fehler im Vergabeverfahren zu machen; dann bleibt Ihnen all das von vornherein erspart. Kein Problem, wir unterstützen Sie gerne!
Christoph Juricek / Leonie Siegert