Update Vergabe 09.07.2020

EuGH: Wie Sie eine öffentlich-öffentliche Zusammenarbeiten vorbereiten sollten

Der EuGH erachtet die Phase vor Abschluss einer Kooperationsvereinbarung als maßgeblich für das Vorliegen einer „Zusammenarbeit“ und legt To-Dos für Auftraggeber fest.
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Rechtlicher Hintergrund

Für das Vorliegen einer vom Vergaberecht ausgenommenen öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit iSd Art 12 VergabeRL (umgesetzt in § 10 Abs 3 BVergG) muss – neben dem Vorliegen weiterer Voraussetzung (Update Vergabe 06/2020) – die Vereinbarung zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern eine Zusammenarbeit begründen oder erfüllen.

Was eine „Zusammenarbeit“ ist, war in der Vergangenheit mangels Definition des Begriffs der „Zusammenarbeit“ in der VergabeRL nicht klar. Nach den Erläuterungen zu den VergabeRL muss die Zusammenarbeit zwar auf einem kooperativen Konzept beruhen (Erwägungsgrund 33), doch wusste auch hier niemand, was darunter genau zu verstehen ist. Der EuGH konkretisierte nun den Begriff der Zusammenarbeit und misst der Phase vor Abschluss einer Kooperationsvereinbarung erhebliche Bedeutung zu.

Sachverhalt und Entscheidung

Ein von mehreren deutschen Landkreisen kontrollierter und ausschließlich für die Restmüllentsorgung in diesen Gebieten verantwortlicher Zweckverband schloss mit dem Landkreis Neuwied (kurz Landkreis) eine Vereinbarung ab, wonach der Landkreis 20% des gesamten Restmülls in seiner Abfallanlage vorbehandelt, damit der Zweckverband die anschließende Entsorgung vornehmen kann. Für die Abfallbehandlung erhält der Landkreis eine Kostenerstattung. Hintergrund dieser Vereinbarung war, dass nur die Entsorgung, nicht aber die Behandlung vom Zweckverband selbst vorgenommen werden kann. Die weiteren 80% des Restmülls werden von privaten Unternehmen behandelt und auch entsorgt.

Der EuGH musste beurteilen, ob eine Zusammenarbeit von mehreren Auftraggebern vorliegt, wenn ein Auftraggeber (der Zweckverband) für die Erfüllung seiner aus mehreren Arbeitsgängen bestehenden öffentlichen Aufgabe einen anderen Auftraggeber (den Landkreis) für die Erfüllung eines Arbeitsgangs, der für diesen ebenfalls eine öffentliche Aufgabe ist, gegen Entgelt beauftragt.

Für das Vorliegen einer auf einem kooperativen Konzept beruhenden Zusammenarbeit sei das Zusammenwirken aller Kooperationspartner für die Gewährleistung der von ihnen zu erbringenden öffentlichen Aufgaben unerlässlich. Dies liege dann nicht vor, wenn sich der einzige Beitrag bestimmter Partner auf eine bloße Kostenerstattung beschränke.

Außerdem setze eine Zusammenarbeit gewisse Vorarbeiten der Auftraggeber voraus, die bei einem klassischen öffentlichen Auftrag fehlen. Beabsichtigen öffentlichen Auftraggeber eine Zusammenarbeit einzugehen, müssen sie nach Ansicht des EuGH vor Abschluss einer Kooperationsvereinbarung gemeinsam ihren Bedarf und ihre Lösungen in der „Phase der Bedarfsprüfung und -definition“ definieren. Der EuGH verlangt auch, dass die Auftraggeber eine gemeinsame Strategie festlegen. Der Abschluss der Kooperationsvereinbarung sei schlussendlich das „Ergebnis einer Initiative der öffentlichen Auftraggeber zur Zusammenarbeit“.

Im Anlassfall hätte die abgeschlossene Vereinbarung nach Ansicht des Gerichtshofs ausschließlich den Erwerb einer Leistung gegen Zahlung eines Entgelts zum Gegenstand und sei somit als klassischer öffentlicher Auftrag zu qualifizieren. Nach den vorliegenden Informationen wäre die in Rede stehende Vereinbarung auch nicht das Ergebnis einer Initiative des Zweckverbandes und des Kreises zur Zusammenarbeit.

Fazit

Die Zusammenarbeit erfordert das Zusammenwirken aller Kooperationspartner für die Gewährleistung der ihnen obliegenden öffentlichen Aufgaben. Die bloße Kostenerstattung als Beitrag bestimmter Partner zur Zusammenarbeit genügt nicht.

Für das Vorliegen einer Zusammenarbeit kommt es aber auch auf die vor Abschluss der Kooperationsvereinbarung liegende Phase der Bedarfsprüfung- und definition an. Auftraggeber müssen daher vor Abschluss folgende To-Dos setzen:

  • gemeinsame Definition des Bedarfs,
  • gemeinsame Lösungen definieren sowie
  • Entwicklung gemeinsamer Strategien.

 

Praxistipp

Unser Tipp: Dokumentation ist alles. Nehmen Sie sich vor Eingehen einer öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit ausreichend Zeit für die Phase der Bedarfsprüfung und der Entwicklung gemeinsamer Strategien und dokumentieren Sie diesen Prozess.

 

Sophie-Anna Werzin

 

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