Update Vergabe 23.05.2023

Das erste Finanzhilfevergabeverfahren zum Ausbau erneuerbarer Energien

Der Begriff Vergabeverfahren ist im allgemeinen Sprachgebrauch der klassischen Auftragsvergabe durch die öffentliche Hand vorbehalten. Immer häufiger werden jedoch auch Förderungen im Rahmen wettbewerbsorientierter Verfahren vergeben. So vorgesehen auch im „Finanzierungsmechanismus der Union für erneuerbare Energie“, die als Finanzhilfevergabeverfahren bezeichnet werden. Derartige „Ausschreibungen“ sind bereits in der Praxis angekommen und werden uns in der Bewältigung der Energiewende noch lange, und immer häufiger unterkommen.
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Hintergrund

Während die (bilanzielle) Klimaneutralität bis 2050 noch in weiter Ferne liegt und dazu einlädt, Vorhaben auf die lange Bank zu schieben, ist das „Etappenziel 2030“ greifbarer. Bis dahin muss der Anteil der Energie aus erneuerbaren Quellen (europaweit) 32 % betragen, wobei sich dieser Wert voraussichtlich noch heuer auf (mindestens) 42,5 % erhöhen wird.

Um eine laufende Evaluierung und transparente Zielerreichung sicherstellen zu können, gibt es für die Jahre 2022, 2025 und 2027 indikative Zielpfade für die Beiträge der einzelnen Mitgliedstaaten. Deren Erreichen/Verfehlen wird von der Kommission bewertet, indem die einzelnen Mitgliedstaaten „energie- und klimabezogene Fortschrittsberichte“ vorlegen. Werden Referenzwerte unterschritten, können Mitgliedstaaten (freiwillig) auf den „Finanzierungsmechanismus der Union für erneuerbare Energie“ zurückgreifen, und ihre (verfehlte) Bilanz aufpolieren (Lückenschließfunktion).

Funktionieren des Finanzierungsmechanismus

Im Rahmen des Finanzierungsmechanismus schließen sich „beitragende Mitgliedstaaten“ und „Aufnahmemitgliedstaaten“ zusammen (gemeinsam „beteiligte Mitgliedstaaten“). Während erstere eine direkte Zahlung an den Mechanismus leisten, erklären sich Aufnahmemitgliedstaaten bereit, die Errichtung von der aus dem Mechanismus finanzierten Anlagen zur (erneuerbaren) Energieerzeugung in ihrem Hoheitsgebiet zu gestatten. Zusätzlich können auch Beiträge des Privatsektors zur Finanzierung beitragen oder Drittländer als „Aufnahmestaat“ fungieren.

Das dadurch zusammengetragene Budget wird im Rahmen des „Finanzhilfevergabeverfahrens“ an die bestbietenden Projektwerber:innen vergeben. Als Finanzhilfe kommt entweder eine Investitionsförderung oder eine Betriebskostenunterstützung für die in Rede stehenden Anlagen in Betracht. Die im Rahmen dessen erzeugte Energie fließt dann zu 80 % in die Bilanz des beitragenden Mitgliedstaates und zu 20 % in die des Aufnahmemitgliedstaates ein. Die Kommission kann aber auch vorschlagen, von dieser Verteilung abzuweichen.

Aufbau eines Finanzhilfevergabeverfahrens

Jährlich fordert die Kommission die Mitgliedstaaten auf, ihr Interesse an der Teilnahme an Finanzhilfevergabeverfahren zu bekunden, entweder als beitragender oder als aufnehmender Mitgliedstaat. Es folgt ein Austausch zwischen Kommission und den beteiligten Mitgliedstaaten, in dem die Rahmenbedingungen (bevorzugte Technologien, maximale Kapazität, Standortbeschränkungen uvm.) ausgelotet und abschließend die verbindlichen Zusagen erteilt werden. Auf dieser Grundlage leitet die Kommission die sogenannte „Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen“ ein, womit das wettbewerbsorientierte Verfahren bekanntgemacht wird.

Nach Ablauf der Frist werden zunächst die hinter den Vorschlägen stehenden Projektwerber:innen hinsichtlich Förderfähigkeit und Eignung geprüft. Die Zuschläge werden grundsätzlich auf den niedrigsten Preis erteilt, wobei in bestimmten Fällen auch andere Vergabekriterien (vgl. Zuschlagskriterien) herangezogen werden können. Es können so viele Zuschläge erteilt werden, bis die maximale Kapazität erreicht bzw. das Budget ausgeschöpft ist.

Vorteile

Primär soll der Finanzierungsmechanismus die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten untereinander, sowie der Mitgliedstaaten mit Drittländern, forcieren. Durch die kooperative Nutzung unterschiedlicher Potenziale soll gemeinsam der Aufbau erneuerbarer Energieerzeugungskapazitäten beschleunigt werden. Eine gute Veranschaulichung dessen ist das aktuell erste Finanzhilfevergabeverfahren:

Während Liechtenstein (flächenmäßig) eines der kleinsten europäischen Länder ist, zählt Finnland zu den größten Mitgliedstaaten. Um diese Potenziale zu nutzen, hat Liechtenstein die Finanzierung von Photovoltaikanlagen übernommen und Finnland die dafür notwendige Fläche zur Verfügung gestellt.

Ein großer Anreiz für beitragende Mitgliedstaaten ist die Möglichkeit der bilanziellen Anrechnung (erneuerbaren) Energieerzeugungskapazitäten, weil beispielsweise verfügbare Flächen oder veraltete Netze dem Ausbau erneuerbarer Energieerzeugungskapazitäten im notwendigen Ausmaß entgegenstehen. Gleichzeitig werden in aufnehmenden Mitgliedstaaten Arbeitsplätze geschaffen und Wertschöpfung generiert. Letztlich tragen Finanzhilfevergabeverfahren auch wesentlich zur Effizienz der Investitionen bei und helfen die richtige Mischung aus öffentlicher und privater Finanzierung zu finden.

Weitere spannende Initiativen, die auf wettbewerbsorientierte Verfahren setzen und auch für Österreich von Interesse sein könnten, folgen. So viel sei vorweg verraten: Die EU möchte ab 2030 jährlich 10 Mio. Tonnen grünen Wasserstoff importieren. Welcher Mitgliedstaat hier eine Vorreiterrolle eingenommen hat und die ersten Angebote zeitnah erwartet, erfahren Sie im nächsten Update Vergabe.

Christoph Juricek

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