Update Vergabe 17.06.2021

Compliance im Vergaberecht – Was mit der europäischen Whistleblower-RL auf Auftraggeber zukommt

Zielgruppe der europäischen Whistleblower-Richtlinie ist auch die öffentliche Auftragsvergabe: Mit dem Schutz von Hinweisgebern soll die Durchsetzung des Vergaberechts verbessert werden. Öffentliche Auftraggeber werden deshalb verpflichtet, Kanäle für interne Meldungen und Folgemaßnahmen einzurichten. Wir geben einen Überblick darüber, was auf Auftraggeber zukommt.
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Rechtlicher Kontext

Hinweisgeber können nach Ansicht der EU ein wichtiger Faktor sein, um Missstände wie Betrug und Korruption bei der öffentlichen Auftragsvergabe aufzudecken. In vielen Fällen werden diese auch „Whistleblower“ bezeichneten Personen jedoch nur unzureichend geschützt. Der Mut, eine Meldung über einen Verstoß zu erstatten, wird häufig mit Repressalien aller Art bestraft. Bereits im Jahr 2018 sah die Europäische Kommission daher einen dringenden Handlungsbedarf in Bezug auf die Einführung einheitlicher und klarer Schutzmechanismen für Hinweisgeber. Ende 2019 einigten sich die Institutionen der EU auf die Hinweisgeberschutzrichtlinie (EU) 2019/1937 (besser bekannt als „Whistleblower-RL“). Die Mitgliedsstaaten müssen die Bestimmungen bis 17.12.2021 in nationales Recht umsetzen.

Welche Rechtsbereiche sind von der Richtlinie umfasst?

Die Whistleblower-RL schützt Hinweisgeber, wenn sie Verstöße in bestimmten Bereichen des Unionsrechts melden, wie zB im öffentlichen Auftragswesen und in den Bereichen Umwelt-, Verbraucher- oder Datenschutz. Eine vollständige Auflistung der betroffenen Rechtsakte der EU findet sich im Anhang zur Richtlinie. Nicht vom Anwendungsbereich umfasst sind Auftragsvergaben im Bereich der Verteidigung und Sicherheit. Den Mitgliedsstaaten steht es selbstverständlich frei, die Schutzstandards der Whistleblower-RL auch in anderen Bereichen anzuwenden.

Wer wird durch die Richtlinie geschützt und wovor?

Der persönliche Anwendungsbereich umfasst natürliche Personen, die im privaten oder im öffentlichen Sektor tätig sind und in ihrem beruflichen Kontext Informationen über Verstöße gegen Unionsrecht erlangt haben. Geschützt werden nicht nur aktuelle Mitarbeiter, die Missstände melden, sondern auch ehemalige Beschäftige, Bewerber oder Dritte wie zB Kollegen oder Verwandte des Hinweisgebers.

Voraussetzung für den Schutz ist, dass die Hinweisgeber „hinreichenden Grund zur Annahme hatten, dass die gemeldeten Informationen […] der Wahrheit entsprachen“. Wissentliche Falschmeldungen sind zu sanktionieren.

Verboten ist jegliche Form von Repressalien gegen Hinweisgeber, einschließlich deren Androhung. Dazu zählen zB die Kündigung oder Suspendierung, die Versagung einer Beförderung, Disziplinarmaßnahmen, finanzielle Sanktionen, Mobbing, Diskriminierung, die Nichtverlängerung oder vorzeitige Beendigung eines befristeten Arbeitsvertrags oder Rufschädigung.

Welche Pflichten treffen öffentliche Auftraggeber?

Öffentliche Auftraggeber sind verpflichtet, Kanäle für interne Meldungen und Folgemaßnahmen einzurichten. Eine Ausnahme besteht für Gemeinden mit weniger als 10.000 Einwohnern und für alle öffentlichen Auftraggeber mit weniger als 50 Arbeitnehmern. Darüber hinaus müssen öffentliche Auftraggeber:

  • entweder intern eine unparteiische Person oder Abteilung für den Erhalt der Meldungen und deren Nachverfolgung bestimmen, oder den Meldekanal an eine externe Stelle auslagern,
  • neben den Kanälen Verfahren für interne Meldungen und Folgemaßnahmen – worunter insbesondere die Prüfung der Stichhaltigkeit von Meldungen und gegebenenfalls Nachforschungen zu verstehen sind – einrichten,
  • eine Meldung in schriftlicher und mündlicher Form ermöglichen,
  • Hinweisgebern innerhalb von sieben Tagen eine Bestätigung über den Eingang der Meldung und innerhalb von drei Monaten eine Rückmeldung über die ergriffenen Maßnahmen, den Stand der internen Ermittlung und deren Ergebnis übermitteln sowie
  • den Hinweisgebern klare und leicht zugängliche Informationen über die Verfahren für externe Meldungen an die zuständigen Behörden zur Verfügung stellen.

Die öffentlichen Auftraggeber haben jedenfalls sicherzustellen, dass die Vertraulichkeit der Identität des Hinweisgebers und in der Meldung erwähnter Dritter gewahrt bleibt.

Status quo

Im Frühjahr veröffentliche Transparency International einen Fortschrittsbericht zur Umsetzung der Whistleblower-RL in den Mitgliedsstaaten. Österreich liegt dabei mit anderen Mitgliedsstaaten auf dem letzten Platz („minimal or no progress“). Nach den öffentlich zugänglichen Informationen wurde mit dem Gesetzgebungsprozess noch nicht begonnen. Es bleibt abzuwarten, ob die Richtlinie fristgerecht umgesetzt wird.

Hinweis

Es gibt in Österreich bereits Hinweisgebersysteme: Schon jetzt besteht die Möglichkeit, der BWB oder der WKStA Meldungen über Missstände – auch anonym – zukommen zu lassen. Diese Stellen könnten – gegebenenfalls mit weiteren Behörden – auch als externe Meldekanäle iSd Whistleblower-RL festgelegt bzw eingerichtet werden.

Tipp

Die Umsetzung der Vorgaben der Whistleblower-RL erfordern umfangreiche organisatorische Maßnahmen. Wir empfehlen deshalb, das Thema möglichst frühzeitig auf die Agenda zu nehmen. Unsere Compliance-Experten beraten und unterstützen Sie gerne bei der Einrichtung von internen Meldekanälen und Verfahren.

Magdalena Prem

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