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Im Vergabeverfahren über Baumeisterleistungen langen zwei Angebote ein. Die Auftraggeberin scheidet das Angebot des erstgereihten Bieters mit der Begründung aus, dieser scheine in der Liste der Scheinunternehmen auf. Auch wenn sie eine Abfrage der Liste der Scheinunternehmen nicht in den Ausschreibungsunterlagen festgelegt hatte, ergebe sich daraus die fehlende berufliche Zuverlässigkeit des Bieters. Kann der betroffene Bieter erfolgreich gegen das Ausscheiden seines Angebots vorgehen?

432 Abstimmungen

Explanation

Ein Scheinunternehmen ist ein Unternehmen, das vorrangig darauf ausgerichtet ist, Lohnabgaben, Sozialversicherungsbeiträge etc der Arbeitnehmer:innen zu verkürzen oder Personen zur Sozialversicherung anzumelden, um Versicherungs-, Sozial- oder sonstige Transferleistungen zu beziehen, obwohl diese Personen keine unselbstständige Erwerbstätigkeit aufnehmen (§ 8 SBBG). Liegt ein solcher Verdacht vor, wird das dem:der Unternehmer:in vom Amt für Betrugsbekämpfung mitgeteilt. Erfolgt kein rechtzeitiger Widerspruch oder ist dieser nach Ansicht der Behörde unbegründet, wird die Eigenschaft als Scheinunternehmen bescheidmäßig festgestellt. Außerdem wird der:die Unternehmer:in in die Liste der Scheinunternehmen eingetragen (https://service.bmf.gv.at/service/allg/lsu/).

Auftraggeber:innen haben in der Ausschreibung bestimmte Nachweise für die Prüfung der Zuverlässigkeit festzulegen, wie Strafregisterauszüge, Rückstandsbescheinigung etc (§ 82 Abs 1 BVergG). Laut § 83 Abs 1 leg cit hat die Beurteilung der Zuverlässigkeit insbesondere unter Heranziehung dieser Nachweise zu erfolgen. Somit dürfen auch andere Nachweise und Umstände für die Zuverlässigkeitsprüfung herangezogen werden.

Die Eintragung in die Liste der Scheinunternehmen kann aus einer Verletzung von sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen resultieren. Damit kann eine schwere berufliche Verfehlung iSd § 78 Abs 1 Z 5 leg cit vorliegen: Darunter ist ein Verhalten zu verstehen, das auf Vorsatz oder auf eine Fahrlässigkeit von gewisser Schwere schließen lässt. Auftraggeber:innen haben diesbezüglich geeignete Nachweise zu erbringen. Ungeachtet dessen wird in solchen Fällen idR auch der Tatbestand des § 78 Abs 1 Z 6 leg cit verwirklicht sein (Nichtentrichtung von Sozialversicherungsabgaben). Zu beachten ist allerdings, dass § 8 SBBG einen weitergehenden Anwendungsbereich als diese beiden Ausschlussgründe aufweist.

Die bescheidmäßige Feststellung und die Eintragung in die Liste der Scheinunternehmen werden idR einen geeigneten Nachweis für die schwere berufliche Verfehlung darstellen. Auftraggeber:innen müssen aufgrund ihrer Beweispflicht und des strengen Maßstabs des VwGH betreffend Ausschlussgründe den Betroffenen dennoch die Möglichkeit zur Stellungnahme geben. Zum einen kommt eine Selbstreinigung iSd 83 Abs 1 und Abs 2 BVergG – zumindest theoretisch – in Frage. Zum anderen kann die Feststellung der Eigenschaft als Scheinunternehmen auf einen nicht rechtzeitigen Widerspruch zurückführbar sein, was verschiedene Gründe (zB Fehler in der Zustellung) haben kann.

Auftraggeber:innen aufgepasst: Gemäß § 9 SBBG haftet der:die beauftragende Auftraggeber:in ab der rechtskräftigen Feststellung der Eigenschaft als Scheinunternehmen zusätzlich als Bürge und Zahler für das gesetzliche, durch Verordnung festgelegte oder kollektivvertragliche Entgelt der beim Scheinunternehmen beschäftigten Personen, wenn er:sie zum Zeitpunkt der Auftragserteilung wusste oder wissen musste, dass es sich beim:bei der betroffenen Unternehmer:in um ein Scheinunternehmen handelt.

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