VwGH zu den Voraussetzungen einer Selbstreinigung
Ein Unternehmer setzte umfangreiche Maßnahmen, um die ihm vorgeworfenen Absprachen für die Zukunft auszuschließen. Dennoch ließ der VwGH die Selbstreinigung nicht gelten: Der Unternehmer hätte darüber hinaus auch aktiv mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten müssen.- EuGH
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Rechtlicher Kontext
Gemäß § 78 Abs 1 Z 4 BVergG 2018 (Sektorenbereich: § 249 Abs 2 Z 3 BVergG 2018) sind Unternehmer:innen von Vergabeverfahren auszuschließen, wenn hinreichend plausible Anhaltspunkte für nachteilige Abreden (zB wettbewerbswidrige Preisabsprachen) bestehen. Die Auftraggeberin hat vom Ausschluss abzusehen, wenn der:die Unternehmer:in glaubhaft macht, dass er:sie trotz des Vorliegens eines Ausschlussgrundes zuverlässig ist. Diese Glaubhaftmachung erfolgt im Wege sogenannter Selbstreinigungsmaßnahmen (§§ 83 und 254, jeweils Abs 1, 2 BVergG 2018).
Ausgangsfall
Eine öffentliche Sektorenauftraggeberin schied in einem offenen Verfahren einen Unternehmer aus, gegen den das Bundesamt zur Korruptionsbekämpfung (BAK) wegen wettbewerbswidriger Absprachen zum Schaden der Auftraggeberin ermittelte. Der Unternehmer bekämpfte sein Ausscheiden und verwies unter anderem auf die von ihm ergriffenen Selbstreinigungsmaßnahmen:
So habe er einen zweiten Geschäftsführer bestellt und der bisherige Geschäftsführer, gegen den wegen dem Verdacht ermittelt wurde, wäre nicht mehr alleine nach außen vertretungsbefugt. Ebenso habe er diverse Ausbildungsmaßnahmen seiner entscheidungsbefugten Mitarbeiter hinsichtlich Zivil-, Vergabe- und Kartellrecht sowie Compliance und eine entsprechende Zertifizierung der Geschäftsführer und eines Mitarbeiters veranlasst. Des Weiteren habe er eine Änderung des Abrechnungssystems durchgeführt, wodurch die ermittlungsgegenständlichen Vorgänge verhindert werden sollten.
Das Verwaltungsgericht Wien wies den Antrag auf Nichtigerklärung ab und ließ die ordentliche Revision zu.
Entscheidung des VwGH
Der VwGH setzte sich mit den konkret ergriffenen Maßnahmen nicht auseinander. Eine erfolgreiche Selbstreinigung scheiterte nach seiner Beurteilung nämlich bereits daran, dass sich der Geschäftsführer des Unternehmers im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren seiner Aussage entschlagen hatte.
Begründend verwies der Gerichtshof auf das Erkenntnis des EuGH vom 24.10.2018, C-124/17, Vossloh Laeis. Demnach sei ein Bieter gehalten, „den Nachweis zu erbringen, dass er die Tatsachen und Umstände bezüglich des Kartells, an dem er beteiligt war, umfassend durch eine aktive Zusammenarbeit mit der für entsprechende Sachverhalte zuständigen Ermittlungsbehörde geklärt hat.“ Auf einen Bieter, dessen Geschäftsführer sich der Aussage entschlägt, treffe dies gerade nicht zu. Damit konnten dem Unternehmer die ergriffenen Selbstreinigungsmaßnahmen nicht zum Erfolg verhelfen. Es blieb beim Ausscheiden seines Angebots.
Fazit
Die im BVergG genannten Selbstreinigungsmaßnahmen rechtfertigen ein Absehen vom Ausschluss wegen wettbewerbswidriger Absprachen nur unter der (im Gesetz nicht ausdrücklich normierten) Voraussetzung, dass der Bieter darüber hinaus aktiv mit den Ermittlungsbehörden zur Aufklärung des Sachverhalts zusammenarbeitet.
Die Entscheidung erging zu § 254 BVergG 2018 (Sektorenbereich), ist aber aufgrund der gleichlautenden Bestimmung des § 83 BVergG 2018 auch für den klassischen Bereich einschlägig.
Sebastian Feuchtmüller