Update Vergabe 14.05.2024

VwGH: Bestimmtheit von Vertragsänderungsklauseln

Ein Bewerber bekämpfte Teilnahmeunterlagen mit der Begründung, dass die darin enthaltene Vertragsänderungsklausel zu weit gefasst sei. Der Auftraggeber hielt dem entgegen, dass – wenn überhaupt – erst eine konkrete Vertragsänderung anfechtbar sei, nicht aber die Änderungsklausel. Der VwGH klärt auf, ob und wann zu unbestimmte Vertragsänderungsklauseln anfechtbar sind.
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Rechtlicher Kontext

Vergaberechtlich relevante Verträge dürfen nach Abschluss des Vergabeverfahrens nur unter bestimmten Umständen geändert werden (§ 365 BVergG).  Zulässig sind etwa Änderungen, die bereits in den Ausschreibungsunterlagen in klar, präzise und eindeutig formulierten Vertragsänderungsklauseln vorgesehen sind und den Gesamtcharakter des Vertrags oder der Rahmenvereinbarung nicht verändern. Solche Klauseln müssen Angaben zum Umfang und zur Art der möglichen Änderungen und die Bedingungen enthalten, unter denen sie zur Anwendung kommen.

Ausgangsfall

Im Anlassfall führte die Auftraggeberin ein zweistufiges Vergabeverfahren mit Bekanntmachung zur Vergabe einer Rahmenvereinbarung über ambulante Rehabilitationsleistungen. In den Teilnahmeunterlagen behielt sie sich vor, „das Leistungsbild der ausschreibungsgegenständlichen Rehabilitationsleistungen im Laufe der Leistungserbringung zu adaptieren bzw auch auf derzeit nicht explizit angeführte Bereiche zu erweitern.“ Eine Unternehmerin bekämpfte diese Klausel mit dem Argument, sie sei zu unbestimmt und entspreche nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 365 Abs 3 Z 2 BVergG). Die Klausel erlaube pauschal eine Erweiterung oder Änderung der Leistungserbringung auf Basis unsicherer Entwicklungen. Die ebenso vorgesehene Möglichkeit, allfällig weiteren ausgewiesenen Bedarf abzurufen, der sich durch eine Aktualisierung oder Änderung Planungsgrundlagen ergibt, sei nicht klar, präzise und eindeutig. Für interessierte Unternehmer sei nicht absehbar, für welche Leistungen in welchem Umfang ein Teilnahmeantrag abgegeben werden solle.

Die Auftraggeberin verteidigte ihre Formulierung und argumentierte, die Antragstellerin könne im Zeitpunkt der Ausschreibung nicht in ihren subjektiven Rechten verletzt sein. Erst eine tatsächliche wesentliche Vertragsänderung könne in ihre Rechte eingreifen und dann gegebenenfalls angefochten werden.

Das Verwaltungsgericht erachtete die Vertragsänderungsklausel als intransparent und damit rechtswidrig.

Entscheidung des VwGH

Der VwGH nahm zunächst eine Unterscheidung vor: Vertragsänderungsklauseln eignen sich (nur) für Umstände, die für die Auftraggeberin bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt vorsehsehbar sind. Zwar können auch Umstände, die eine sorgfältige Auftraggeberin nicht vorhersehen kann, eine zulässige Vertragsänderung rechtfertigen; dafür sieht das Gesetz allerdings eine eigene Regelung vor (§ 365 Abs 3 Z 6 BVergG). Auch daraus folgt, dass Vertragsänderungsklauseln eine gewisse Bestimmtheit aufweisen und die anzupassenden Bedingungen entsprechend konkretisieren müssen. Auftraggeber sollen sich nicht mit einer allgemein gehaltenen Vertragsklausel völlig unbeschränkt die Möglichkeit nachträglicher Änderungen vorbehalten können.

Da, so der VwGH, im vorliegenden Fall Art und Umfang der möglichen Änderung nicht präzise genug konkretisiert wurden, widersprach die Änderungsklausel dem Transparenzgrundsatz und war rechtswidrig – und zwar unabhängig von der Frage, ob es später tatsächlich zu einer Änderung des Vertrags oder der Rahmenvereinbarung kommt oder nicht.

Fazit

In der Praxis werden Vertragsänderungsklauseln weit gefasst, um möglichst rechtssicher notwendige oder sinnvolle Anpassungen in Verträgen oder Rahmenvereinbarungen vornehmen zu können. Der VwGH zeigt die Grenzen dieser Praxis auf: Ein zu allgemein gehaltener Vorbehalt jeglicher Erweiterung des Leistungsgegenstands ist nicht nur keine Grundlage für eine spätere Vertragsänderung, er belastet auch die Teilnahme- bzw Ausschreibungsunterlage mit Rechtswidrigkeit.

Auftraggeber können damit bei der Erstellung der Ausschreibung vor einer schwierigen Abwägung stehen: Verzichten sie wegen Zweifeln an der ausreichenden Klarheit darauf, potentielle Änderungsgründe festzuschreiben, bringen genau diese Änderungen später ein erhöhtes Anfechtungsrisiko mit sich. Im Nachhinein müsste sich der Auftraggeber dann gegebenenfalls auf ihre Unvorhersehbarkeit berufen.

Sebastian Feuchtmüller

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