Die EU schützt ihre Wettbewerbslandschaft, auch bei öffentlichen Beschaffungen
Drittstaatliche Subventionen können den Binnenmarkt verzerren und den fairen Wettbewerb in der Union untergraben. Diese Gefahr besteht insbesondere dann, wenn Wirtschaftsteilnehmer:innen, denen drittstaatliche Subventionen gewährt wurden, den Zuschlag erhalten. Die „Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen“ nimmt (bald) Bieter:innen und Auftraggeber:innen in die Pflicht.- EuGH
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Hintergrund
Staatliche Subventionen begründen Wettbewerbsvorteile. Nicht umsonst reguliert die EU Subventionen von Mitgliedstaaten (Stichwort: Beihilfenrecht). Drittstaatliche Subventionen sind hingegen bisher nicht reguliert, nehmen weltweit aber seit Jahren rasant zu.
Beispiele sind Subventionen anlässlich der Covid-Pandemie; Subventionen Chinas im Rahmen seiner Expansionspläne für Übernahmeangebote an europäischen Unternehmen; das US-Inflationsbekämpfungsgesetzes (sog „Inflation Reduction Act“), mit dem ein üppiger Fördertopf für heimische grüne Technologien bereitgestellt wurde (rund EUR 370 Mrd).
Diese Entwicklungen haben die EU mehr und mehr unter Zugzwang gebracht. Sie steht nun vor der Frage, wie negative Folgen auf den europäischen Wettbewerb abgefedert werden können, wenn drittstaatlich subventionierte Unternehmen in einem Wirtschaftszweig auf dem Binnenmarkt aktiv sind.
Inhalt
Die „Verordnung über den Binnenmarkt verzerrende drittstaatliche Subventionen“ („VO“) schafft Regeln und Verfahren für die Prüfung drittstaatlicher Subventionen, die den Binnenmarkt verzerren (Art 3 bis 8). Für öffentliche Vergabeverfahren, die einen Auftragswert über EUR 250 Mio aufweisen, gilt deshalb folgendes: Bewerber:innen/Bieter:innen, die in den letzten drei Jahren zumindest EUR 4 Mio an drittstaatlichen finanziellen Zuwendungen erhalten haben, müssen diese bei der Einreichung ihres Teilnahmeantrags/Angebots melden („Meldung“).
„In allen anderen Fällen“, also unterhalb der Schwellenwerte, gilt allerdings ebenso die Pflicht, drittstaatliche Zuwendungen anzuzeigen und zu bestätigen, dass die oben genannten Schwellen nicht erreicht werden („Erklärung“).
Ob die Pflicht zur Abgabe einer Erklärung tatsächlich für alle anderen Vergabeverfahren mit einem Auftragswert unter EUR 250 Mio gelten soll, wird sich erst nach Veröffentlichung der angekündigten Leitlinien der Kommission mit Gewissheit sagen lassen (Rn 73). Aktuell wird aber davon ausgegangen.
Auftraggeber:innen haben deshalb darauf zu achten, in den Auftragsunterlagen anzugeben, dass Wirtschaftsteilnehmer:innen der Meldepflicht bzw der Pflicht zur Abgabe einer Erklärung nach Art 29 VO unterliegen (Art 28 Abs 6 VO).
Sowohl Meldungen als auch Erklärungen müssen vom/von der Auftraggeber:in an die EK weitergeleitet werden. Bei Unvollständigkeit oder fehlender Meldung/Erklärung, kann – wie gewohnt – um Aufklärung gebeten werden. Wird der Aufklärung in weiterer Folge nicht nachgekommen, ist der Teilnahmeantrag/das Angebot nicht zuzulassen/auszuscheiden. Auch dieser Umstand ist der EK zu melden.
Von einer Prüfung durch die EK sind grundsätzlich aber nur Meldungen betroffen. Diese werden einer Vorprüfung unterzogen und die EK entscheidet, ob eine eingehende Prüfung eingeleitet wird. In der Folge können Wirtschaftsteilnehmer:innen Verpflichtungen zur Beseitigung der Verzerrung auferlegt werden (Verpflichtungsbeschluss). Können die Verzerrungen nicht beseitigt werden, kann die EK einen Beschluss zur Untersagung der Zuschlagserteilung erlassen.
Fazit
Auftraggeber:innen müssen für ihre Ausschreibungen entsprechende Vorkehrungen treffen und sich auf geringfügigen Mehraufwand einstellen. Mit Zeitverzögerungen wegen einer (Vor-)Prüfung durch die EK wird wegen des hohen Auftragswerts in der Praxis aber kaum zu rechnen sein (die EU schätzt rund 36 Meldungen im Rahmen öffentlicher Vergabeverfahren jährlich).
Bieter:innen hingegen müssen vor dem Hintergrund drohender Geldbußen stets einen Überblick über erhaltene drittstaatliche finanzielle Zuwendungen iSd VO behalten, da unrichtige/irreführende Erklärungen ebenfalls sanktioniert werden können (Geldbußen nach Art 33 VO).
Die Verordnung zeigt in jedem Fall eine spannende Entwicklung, mit der die EU Bieter:innen aus Mitgliedstaaten vor Konkurrenz aus Drittländern schützt („Protektionismus“), und das ab 12.07.2023. Die Meldepflicht im Vergabeverfahren gilt erst ab 12.10.2023.
Christoph Juricek