Deutschland: Transformation des Vergaberechts (Teil II)
Der zweite Teil des Überblicks zum Vergabetransformationspaket des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (D) befasst sich mit den geplanten Maßnahmen zur Vereinfachung von Beschaffungsvorgängen und der Förderung der Teilnahme von Start-Ups.- EuGH
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Hintergrund
In unserer letzten Ausgabe des FSM Update Vergabe haben wir bereits einen Teil des „Vergabetransformationspakets“ vorgestellt, insbesondere geplante Neuerungen mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit. Heute geht es um Maßnahmen zur Vereinfachung von Beschaffungsvorgängen und der Förderung der Teilnahme von Start-Ups.
Die Änderungen im Überblick
Grundsatz der Eigenerklärung: Als Grundsatz wird festgelegt, dass Bieter:innen Eigenerklärungen abgeben dürfen und damit das Vorliegen Ihrer Eignung bestätigen. Die tatsächlichen Nachweise müssen nur noch von aussichtsreichen Bewerber:innen/Bieter:innen (nach)gefordert werden. Bei Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich, die ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt werden, darf auf die Vorlage von Nachweisen gänzlich verzichtet werden, wenn die Eignung im vorangegangenen Jahr bereits festgestellt wurde.
Rechtslage Österreich | OSB: Der:die Bewerber:in/Bieter:in kann die Eignung durch Vorlage einer „Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung“ belegen. Aussichtsreiche Bieter:innen müssen in weiterer Folge auch Nachweise vorlegen.
USB: Bieter:innen dürfen auch eine selbstformulierte Eigenerklärung vorlegen. Darin bestätigen sie, alle Nachweise auf Verlangen – vorlegen zu können. |
Eignungsleihe: Bieter:innen können sich für die Erfüllung der Eignungskriterien auf konzernverbundene Unternehmen stützen (Eignungsleihe). Dass das konzernverbundene Unternehmen das konkrete Eignungskriterium erfüllt, musste bisher nachgewiesen werden. Durch die Änderung soll es ausreichen, wenn sich der:die Bieter:in auf die Eignungsleihe beruft.
Rechtslage Österreich | Will sich ein:e Bewerber:in/Bieter:in für die Leistungsfähigkeit auf ein konzernverbundenes Unternehmen berufen, sind auch für das konzernverbundene Unternehmen die Eignungsnachweise vorzulegen. Zudem muss bestätigt werden, dass dem Bewerber/der Bewerberin bzw dem Bieter/der Bieterin die notwendigen finanziellen/technischen Mittel des konzernverbundenen Unternehmens auch tatsächlich zur Verfügung stehen. |
Lockerung der Verpflichtung zur Losaufteilung: Aktuell gilt in Deutschland der Grundsatz der losweisen Auftragsvergabe. Nur wenn wirtschaftliche oder technische Gründe eine Gesamtvergabe erfordern, darf davon abgewichen werden. In der neuen Fassung wird die Verpflichtung zur Losvergabe (geringfügig) aufgeweicht, indem eine Gesamtvergabe „nur“ noch mit wirtschaftlichen oder technischen Gründen gerechtfertigt werden muss.
Rechtslage Österreich | Die Gesamt- oder Losvergabe stehen einander gleichwertig gegenüber. Für die Beurteilung, ob Leistungen gemeinsam oder getrennt vergeben werden, sind wirtschaftliche oder technische Gesichtspunkte maßgebend (§ 28 Abs 1 BVergG 2018). |
Verhandlungsverfahren: Im USB wird das Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung (VvmB) ein Standardverfahren. Es darf also ohne Vorliegen bestimmter Gründe herangezogen werden. Die Wertgrenze für das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Bekanntmachung (VvoB) wird auf EUR 50.000,- angehoben.
Rechtslage Österreich | Das VvmB gilt im USB bereits als Standardverfahren. Die Wertgrenze für die Zulässigkeit von VvoB beträgt in Österreich EUR 80.000,-. |
Start-Ups: Damit der Zugang für Start-Ups zu öffentlichen Aufträgen niederschwelliger wird, sieht das Vergabetransformationspaket mehrere Änderungsvorschläge vor. Im Bereich der Eignungsprüfung sollen auf Besonderheiten von jungen Unternehmer:innen Rücksicht genommen und Alternativnachweise großzügiger zugelassen werden. Auch ein Umdenken im Bereich der Zahlungsmodalitäten soll den Zugang vereinfachen. So sollen Auftraggeber:innen bspw Vorauszahlungen ermöglichen oder frühere Zahlungsziele vorsehen.
Rechtslage Österreich | Nach dem BVergG 2018 sollen Konzeption und Durchführung eines Vergabeverfahrens nach Möglichkeit KMU-freundlich gestaltet werden. Speziell für Start-Ups gibt es keine mit dem deutschen Vergabetransformationspaket vergleichbaren Bestimmungen. |
Fazit
Zwar ist für eine spürbare Vereinfachung von Vergabeverfahren noch viel Luft nach oben, große Hebel wurden in den Referentenentwürfen des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (D) aber erkannt. Wie unsere Gegenüberstellung zeigt, sind viele der in Deutschland geplanten Änderungen in Österreich bereits geltendes Recht. Hierzulande kann der aktuelle Entwurf des deutschen Vergabetransformationspakets somit maximal als Impulsgeber herhalten.
Christoph Juricek