BGH: Aufklärungsersuchen an die Subunternehmerin?
In einem deutschen Vergabeverfahren hatten alle teilnehmenden Unternehmer das Leistungsverzeichnis falsch ausgefüllt und Preise für Leistungen einkalkuliert, die nicht ausgeschrieben waren. Eine Bieterin versuchte ihr Glück mit der Argumentation, die fraglichen Positionen beträfen ihre Subunternehmerin und seien daher nicht von ihr aufzuklären.- EuGH
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Rechtlicher Kontext
Gemäß § 15 Abs 1 Nr 1 VOB/A 2016 kann ein Auftraggeber – ähnlich wie in Österreich nach § 137 BVergG 2018 – Aufklärung verlangen, um sich über das Angebot selbst und über die Angemessenheit der Preise ein Bild zu machen. Eine solche Aufklärung ist geboten, wenn Zweifel an der Wirtschaftlichkeit oder Korrektheit der angebotenen Preise bestehen.
Angebote, in die Preise für nicht ausgeschriebene Leistungen mit einberechnet wurden, sind ähnlich wie in Österreich auch in Deutschland auszuscheiden.
Ausgangssachverhalt
Ausgangspunkt des Rechtsstreits war ein Vergabeverfahren über Erd- und Rohbauarbeiten. In den Transportpositionen der Angebote aller Bieter:innen lagen die Einheitspreise um 500% bis 900% über dem einschlägigen deutschen „Baukostenindexpreis (Stand 2018) für Lösen Laden und Abfahren von Baugrubenaushub)“. Offenkundig hatten sämtliche Bieter entgegen den eindeutigen Vorgaben im Leistungsverzeichnis die (von der Auftraggeberin zu tragenden) Deponiekosten mit einberechnet.
Die spätere Zuschlagsempfängerin gestand auf Nachfrage diesen Umstand offen ein. Sie habe fälschlicherweise Deponiekosten miteinberechnet, werde diese der Auftraggeberin aber nicht verrechnen. Die Auftraggeberin erteilte ihr daraufhin den Zuschlag.
Dagegen klagte eine andere Bieterin und begehrte den Ersatz des entgangenen Gewinns. Auch ihre Einheitspreise waren überhöht, allerdings bestritt sie die Miteinrechnung der Deponiekosten. Sie selbst habe diese nicht mitkalkuliert, außerdem würden die entsprechenden Leistungsteile an einen Subunternehmer weitergegeben, der nicht Adressat des Aufklärungsersuchens der Auftraggeberin gewesen sei.
Entscheidungsgründe des BGH
Die klagende Bieterin konnte den deutschen Bundesgerichtshof nicht davon überzeugen, dass der Zuschlag auf ihr Angebot hätte erteilt werden müssen:
Zunächst stellte der BGH klar, dass die Auftraggeberin in einem solchen Fall auch vom Subunternehmer Aufklärung verlangen darf. Es sei zwar streitig, ob Aufklärung über die Preiskalkulation der Subunternehmerin verlangt werden kann. Eine solche ist dem BGH nach aber jedenfalls dann zulässig, wenn zu klären ist, ob das Angebot den Vorgaben des Leistungsverzeichnisses entspricht. Dies begründet das Gericht damit, dass ansonsten zwingend auszuschließende Angebote zu werten wären. Ein Aufklärungsverlangen sei zudem problemlos zumutbar.
Darüber hinaus sei das Angebot der Klägerin deutlich überhöht, wenn es trotz Nichteinberechnung von Deponiekosten derart über dem einschlägigen Baukostenindexpreis liege. Schließlich sei die Antwort der Klägerin an die Auftraggeberin – die sich als unrichtig erwiesene Bestreitung der Nichteinberechnung von Deponiekosten und der Verweis auf ihren Subunternehmer – als erheblicher Verstoß gegen die sie treffende vorvertragliche Rücksichtnahme- und Treuepflicht zu qualifizieren. Das Angebot der Klägerin hätte somit selbst ausgeschieden werden müssen.
Fazit
Der BGH folgt der in Teilen der deutschen Lehre vertretenen Ansicht, dass Auftraggeber:innen unter bestimmten Voraussetzungen auch von Subunternehmer:innen Aufklärung über deren Preise verlangen dürfen. Kann nur die:der Subunternehmer:in darüber Auskunft erteilen, ob das Angebot in Einklang mit den Ausschreibungsvorgaben steht, hat die Auftraggeberin auch von ihr:ihm Aufklärung zu verlangen.
Sebastian Feuchtmüller / Benedikt Flasch