Update Vergabe 14.12.2018

EN Zeitliche Befristung von Ausschlusstatbeständen

EN Die meisten Ausschlussgründe sind nicht anwendbar, wenn das "Ereignis" mehr als drei Jahre zurückliegt. Als Ereignis gilt nicht der Rechtsverstoß selbst, sondern die dazu ergangene behördliche Entscheidung.
  • EuGH
  • VwGH
  • BVwG / LVwG
  • Sonstiges

Rechtlicher Kontext

Erfüllt ein Bieter einen Ausschlussgrund gemäß § 78 BVergG 2018 (klassischer Bereich) oder § 248 BVergG 2018 (Sektorenbereich), gilt er grundsätzlich als nicht zuverlässig und ist von der Teilnahme am Vergabeverfahren auszuschließen. Von einem Ausschluss ist insb dann abzusehen, wenn (i) der Bieter nachweisen kann, Maßnahmen zur „Selbstreinigung“ getroffen zu haben oder (ii) der Ausschlussgrund verjährt ist. Die RL 2014/24/EU sieht nämlich erstmals eine zeitliche Befristung der Ausschlussgründe vor – und zwar fünf Jahre ab dem Tag einer rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung iSd § 78 Abs 1 Z 1 BVergG 2018 bzw „drei Jahre ab dem betreffenden Ereignis“ bei den meisten sonstigen Tatbeständen (Art 57 Abs 7 RL 2014/24/EU).

Sachverhalt und Entscheidungsinhalt

Der Bieter, dem mit Bescheid des deutschen Bundeskartellamts die Teilnahme an kartellrechtlichen Absprachen angelastet worden war, bekämpfte seinen Ausschluss aus einem Vergabeverfahren. Der Ausschluss sei trotz Verfehlung aus zwei Gründen rechtswidrig. Zum einen habe er ausreichende „Selbstreinigungsmaßnahmen“ getroffen, dies ua durch aktive Zusammenarbeit mit der Ermittlungsbehörde. Eine – im deutschen Vergaberecht vorgesehene – aktive Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber selbst sei nicht erforderlich. Zum anderen sei die höchstzulässige Ausschlussdauer überschritten, zumal die Beendigung der schweren Verfehlung mehr als drei Jahre zurückliege.

Der EuGH stellte klar: Liegt keine rechtkräftige gerichtliche Verurteilung aufgrund eines einschlägigen Delikts vor, ist jedoch eine sonstige Entscheidung einer Behörde (zB ein Bescheid) ergangen, in der die Behörde einen Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift festgestellt hat, beginnt die höchstzulässige Ausschlussdauer von drei Jahren ab dem Datum dieser Entscheidung zu laufen. Das „betreffende Ereignis“ iSd Art 57 Abs 7 RL 2014/24/EU (umgesetzt in § 83 Abs 5 bzw § 254 Abs 5 BVergG 2018) ist somit nicht die verfehlte Handlung, sondern die dazu ergangene behördliche Entscheidung.

In Bezug auf eine deutsche Vergaberechtsbestimmung sprach der EuGH zudem aus, dass Art 80 der RL 2014/25 iVm Art 57 Abs 6 der RL 2014/24 einer nationalen Gesetzesbestimmung nicht entgegensteht, die zur Wiederherstellung der beruflichen Zuverlässigkeit zusätzlich zur aktiven Zusammenarbeit mit der Ermittlungsbehörde auch die Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber verlangt. Die Zusammenarbeit müsse aber auf die Maßnahmen beschränkt sein, die für die Prüfung der Zuverlässigkeit erforderlich sind. Das BVergG 2018 kennt keine korrespondierende Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit dem Auftraggeber.

Fazit

Ein Ausschlussgrund kann und darf nicht zum Ausschluss eines Bieters führen, wenn die rechtskräftige Verurteilung mehr als fünf Jahre bzw „das betreffende Ereignis“ mehr als drei Jahre zurückliegt. Im Falle einer behördlichen Entscheidung gilt als Ereigniszeitpunkt nicht der Tatzeitpunkt, sondern das Entscheidungsdatum. In Anbetracht der teilweise sehr langen Dauer von Ermittlungserfahren erfolgt die Verjährung des Ausschlussgrundes somit oft erst lange Zeit nach der Verfehlung. Umso wichtiger ist die Ergreifung geeigneter Selbstreinigungsmaßnahmen.

Sebastian Feuchtmüller

 

WordPress Cookie Notice by Real Cookie Banner