Update Vergabe 13.09.2022

VwGH zum Nachweis einer beruflichen Verfehlung

Der Auftraggeber erfuhr aus den Medien von einer Verurteilung einer Bieterin seines Vergabeverfahrens wegen Wettbewerbsverstößen und arbeits- und sozialrechtlicher Verstöße. Auch wenn die Urteile noch nicht rechtskräftig waren, nahm der Auftraggeber sie zum Anlass, die Bieterin wegen schwerer beruflicher Verfehlungen auszuschließen. Dabei wurde ihm die Nachweispflicht der schweren beruflichen Verfehlung zum Verhängnis.
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Rechtlicher Kontext

Gemäß § 78 Abs 1 Z 5 BVergG 2018 muss ein:e Auftraggeber:in bzw gemäß § 249 Abs 2 Z 4 BVergG 2018 kann eine Sektorenauftraggeber:in einen Unternehmer jederzeit von der Teilnahme am Vergabeverfahren ausschließen, wenn der Unternehmer im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit eine schwere berufliche Verfehlung, insbesondere gegen Bestimmungen des Arbeits-, Sozial- oder Umweltrechts, begangen hat. Der:die (Sektoren)Auftraggeber:in hat dabei die Verfehlung auf geeignete Weise nachzuweisen. Der VwGH befasst sich in einem konkreten Fall damit, worauf es für einen geeigneten Nachweis ankommt, wenn eine  solche Verurteilung vorliegt, aber noch nicht rechtskräftig ist.

Instanz

Drei Auftraggeber führten für die Vergabe von Verkehrsdienstleistungen ein zweistufiges Verhandlungsverfahren im Oberschwellenbereich durch.  Mit dem Hinweis auf schwere berufliche Verfehlungen ließen sie eine Bietergemeinschaft nicht zur zweiten Stufe zu. Sie hatten nämlich aus den Medien erfahren, dass gegen eines ihrer Mitglieder sowohl von der italienischen Wettbewerbsbehörde ein Bußgeld in der Höhe von 1,1 Mio Euro als auch vom Arbeitsinspektorat aufgrund von 133 Vergehen wegen Nichteinhaltungen von Ruhepausen für Buslenker, Geldstrafen verhängt worden seien. Eigene Ermittlungen stellten sie ebensowenig an wie eine detaillierte Auseinandersetzung mit dem Sachverhalt. Tatsächlich waren zum Zeitpunkt der Nichtzulassung die Entscheidung der Wettbewerbsbehörde noch nicht rechtskräftig und die Geldstrafe des Arbeitsinspektorats bereits aufgehoben. Die Bewerbergemeinschaft focht daraufhin ihre Nichtzulassung beim LVwG erfolgreich an.

Entscheidungsinhalt

Der VwGH bestätigte die Entscheidung des LVwG, wonach sich die Auftraggeber näher mit dem Verhalten der Bewerberin befassen und Feststellungen hierzu treffen hätten müssen. Zum Nachweis einer schweren beruflichen Verfehlung bedarf es zwar nicht zwingend eines rechtskräftigen Urteils (siehe auch EuGH C-465/11, Forposta ua). Die Beweislast für den Nachweis einer schweren beruflichen Verfehlung liegt allerdings bei den Auftraggebern und diese müssen konkrete Feststellungen über das die Verfehlung begründende Verhalten treffen. Es ist dabei eine auf den Einzelfall bezogene Betrachtung sowie objektive Begründung des Verhaltens vorzunehmen und der erforderliche Nachweis muss streng objektivierbar sein. Dass sich die Auftraggeber im konkreten Fall nur auf die nicht rechtskräftigen Verurteilungen verlassen hatten, ohne Nachforschungen zu betreiben und objektivierbare Feststellungen zu treffen, reichte somit nicht aus.

Ergebnis/Fazit

Eine nicht rechtskräftige Entscheidung einer nationalen Wettbewerbsbehörde oder eines Arbeitsinspektorats, mag sie auch noch so schwerwiegend erscheinen, kann zwar ein Anhaltspunkt für das Vorliegen einer schweren Verfehlung sein. Sie darf aber nicht zu einem automatischen Ausschluss eines Unternehmers führen. Es obliegt vielmehr dem:der Auftraggeber:in, das Vorliegen einer schweren beruflichen Verfehlung objektivierbar nachzuweisen.

Karlheinz Moick / Lukas Ludvik

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