Update Vergabe 15.02.2022

VwGH: Vertiefte Angebotsprüfung bei Zweifel an kostendeckendem Angebotspreis

Eine Bieterin legte ein Angebot mit auffällig niedrigem Gesamtpreis. Die von der Auftraggeberin angewendete Preisprüfungsmethode ergab allerdings, dass sich das Angebot im Rahmen der üblichen Marktpreise bewege. Alles gut? Nein, urteilte der VwGH und gibt Anhaltspunkte, worauf Auftraggeber:innen bei der vertieften Angebotsprüfung aufpassen müssen.
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Rechtlicher Kontext

Die/der öffentliche Auftraggeber:in ist insbesondere bei ungewöhnlichen Angebotspreisen gemäß § 137 Abs 2 BVergG dazu verpflichtet, eine vertiefte Angebotsprüfung durchzuführen. Hierbei ist zu klären, ob die angebotenen Preise betriebswirtschaftlich erklär- und nachvollziehbar sind. Zeigt sich eine nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises, ist das Angebot gemäß § 141 Abs 1 Z3 BVergG auszuscheiden.

Im Rahmen der vertieften Angebotsprüfung müssen Auftraggeber:innen unter anderem prüfen, ob die Angebote kostendeckend sind – ob also im Preis von Positionen alle direkt zuordenbaren Personal-, Material-, Geräte-, Fremdleistungs- und Kapitalkosten enthalten sind und ob die Aufwands- und Verbrauchsansätze sowie die Personalkosten, diese insbesondere im Hinblick auf die dem Angebot zugrunde gelegten Kollektivverträge, nachvollziehbar sind. Dass bei dieser Prüfung leicht Fehler passieren können, zeigt der gegenständliche Fall.

Instanz

Eine steirische Gemeinde führte im Jahr 2017 ein Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich betreffend Bauleistungen durch. Eine unterlegene Bieterin sah in der 40%igen Unterschreitung des Angebotes der präsumtiven Zuschlagsempfängerin im Vergleich zu ihrem eigenen Angebot eine nicht plausible Zusammensetzung des Gesamtpreises und brachte einen Nachprüfungsantrag gegen die Zuschlagsentscheidung ein.

Im Nachprüfungsverfahren bestätigte ein Sachverständiger hohe, nicht nachvollziehbare Preisschwankungen in knapp 90 Einzelpositionen. Die Unterschreitung des marktüblichen Schätzpreises konnte in diesem Ausmaß auch nicht kostendeckend sein. Das Angebot der präsumtiven Zuschlagsempfängerin war deshalb wegen nicht plausibler Zusammensetzung des Gesamtpreises auszuscheiden und die Zuschlagsentscheidung wurde für nichtig erklärt.

Interessant sind die Ausführungen des Landesverwaltungsgerichts Steiermark (LVwG) zur vertieften Angebotsprüfung: Die Auftraggeberin hatte die Angebotspreise durch eine sachverständige Person prüfen lassen, die dazu eine übliche Preisprüfungsmethode heranzog (Sensitivitätsanalyse). Im gegenständlichen Fall war die angewendete Methode aber nicht geeignet, die Preisauffälligkeiten in den Einzelpositionen aufzuzeigen. Nach Ansicht des LVwG wurde deshalb die vertiefte Angebotsprüfung nicht ordnungsgemäß durchgeführt.

Entscheidungsinhalt

Der VwGH bestätigte das Erkenntnis. Bei mangelnder Kostendeckung sei das Hauptaugenmerk auf die betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit der Preisgestaltung zu legen. Er verwies dabei auf seine ständige Rechtsprechung, wonach die Kalkulation des/der Bieter:in zwar nicht minutiös nachvollzogen werden können muss, jedoch zu prüfen ist, ob ein/e seriöse:r Unternehmer:in die angebotenen Leistungen zu den angebotenen Preisen erbringen kann.

Die Prüfung der Kostendeckung ist laut Gerichtshof jedenfalls ein maßgeblicher Aspekt der vertieften Angebotsprüfung (neben den anderen in § 137 Abs 3 BVergG zur vertieften Angebotsprüfung genannten Aspekten). Da im gegenständlichen Fall die nicht kostendeckende Angebotslegung sowie die auffallend günstigen und teuren Positionen in keiner Weise nachvollziehbar und erklärbar waren, lag ein Ausscheidungsgrund nach § 141 Abs 1 Z3 BVergG 2018 vor.

Ergebnis/Fazit

Auftraggeber:innen müssen auffällig niedrige Gesamtpreise und auffällig niedrige Einheitspreise in wesentlichen Positionen vertieft prüfen. Die angewendete Preisprüfungsmethode muss für eine Feststellung der Kostendeckung des Angebotspreises geeignet sein. Ein nicht kostendeckendes Angebot ist grundsätzlich auszuscheiden. Zu den vereinzelten Ausnahmen von diesem Grundsatz siehe zB hier.

Auftraggeber:innen sind gut beraten, sich bei der Anwendung der Preisprüfungsmethode nicht nur auf die Üblichkeit der Methode zu verlassen sondern sicherzustellen, dass die gesetzlichen Anforderungen an die vertiefte Angebotsprüfung (insbesondere die Kostendeckung des Angebots) damit erfüllt werden. Und Bieter:innen sollten bei der Angebotsgestaltung stets bedenken, dass sie niedrige Angebotspreise auch betriebswirtschaftlich erklären können müssen. Diese Erklärung muss fundiert sein, kurze oder lapidare Hinweise reichen im Streitfall nicht aus.

Karlheinz Moick / Laura Reschinger

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