VwGH: Grenzen der Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung
Darf eine öffentliche Auftraggeberin im Rahmen einer Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung Angebote so lange nachverhandeln, bis sie mit der ursprünglichen Ausschreibung kaum mehr etwas zu tun haben? Im Anlassfall hatte die Auftraggeberin das Leistungsverzeichnis bei den Verhandlungen mit den Bietern praktisch außer Acht gelassen. Das Ergebnis: Eine unzulässige Direktvergabe, das Verfahren hätte widerrufen werden müssen.- EuGH
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Rechtlicher Kontext
Die Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung iSd § 47 BVergG 2018 ist ein weitgehend formfreies Verfahren. Abs 1 enthält eine taxative Aufzählung der Bestimmungen, die bei einer Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung anzuwenden sind. Auch der Rechtsschutz ist eingeschränkt: Die einzige gesondert anfechtbare Entscheidung ist gemäß § 2 Z 15 lit a sublit hh BVergG 2018 die Bekanntmachung.
Instanz
Die Marktgemeinde O führte eine Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung für Holzbaumeisterarbeiten durch. Da die Angebote das Budget deutlich überschritten, forderte die Auftraggeberin die Bieter mehrfach zur Überarbeitung auf – allerdings ohne Anpassung des ursprünglichen Leistungsverzeichnisses. Am Ende lagen Angebote vor, die auf unterschiedlichen Einsparungsvorschlägen und technischen Grundlagen beruhten und damit nicht mehr vergleichbar waren.
Ein unterlegener Bieter brachte einen Feststellungsantrag ein: Das LVwG Kärnten kam zu dem Schluss, dass die Auftraggeberin das Verfahren hätte widerrufen müssen, da eine Prüfung nach den Ausschreibungsbedingungen aufgrund der wesentlichen Änderungen nicht mehr möglich war.
Entscheidungsinhalt
Der VwGH bestätigte, dass das ursprüngliche Leistungsverzeichnis im Verfahren nicht beachtet wurde und sich der Leistungsgegenstand dadurch wesentlich änderte. Mit diesem Vorgehen überschritt die Auftraggeberin die Grenzen des in § 47 BVergG 2018 vorgesehenen Gestaltungsspielraums. Auch im Rahmen einer Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung darf der Beschaffungsgegenstand nicht beliebig verändert werden und die Angebote müssen auf einer einheitlichen Grundlage vergleichbar bleiben. Da die Angebote jedoch auf unterschiedlichen Grundlagen beruhten, lag in Wahrheit eine neue und damit unzulässige Direktvergabe vor.
Ergebnis/Fazit
Auch wenn die Direktvergabe mit vorheriger Bekanntmachung ein weitgehend formfreies Verfahren ist, bestehen in der Art und Weise ihrer Abwicklung Grenzen: Der Leistungsgegenstand darf sich im Zuge von Verhandlungen nicht so weit verändern, dass er mit den ursprünglich bekanntgemachten Bedingungen nichts mehr zu tun hat. Sind die Angebote nicht mehr vergleichbar, ist das Verfahren zu widerrufen. Andernfalls entsteht eine unzulässige neue Direktvergabe, die nicht mehr von der ursprünglichen Bekanntmachung gedeckt ist.
Sebastian Feuchtmüller / Gregor Saxinger