VwGH: Anforderungen an die vertiefte Angebotsprüfung durch das Nachprüfungsgericht
Nach Durchführung einer vertieften Angebotsprüfung wurde das Angebot einer Bieterin wegen nicht plausibler Zusammensetzung des Angebotspreises ausgeschieden. Das BVwG bestätigte diese Entscheidung. Der VwGH hob das Erkenntnis des BVwG auf und rügte dieses wegen nicht ordnungsgemäßer vertiefter Preisprüfung.- EuGH
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Rechtlicher Kontext
137 BVergG 2018 konkretisiert den Grundsatz der Vergabe zu angemessenen Preisen (§ 20 BVergG 2018). Öffentliche Auftraggeber:innen müssen insbesondere bei auffällig niedrigen Angeboten die betriebswirtschaftliche Plausibilität der Preise im Rahmen einer vertieften Angebotsprüfung prüfen. Ein Ausscheiden des Angebots nach § 141 Abs 1 Z 3 BVergG 2018 ist nur zulässig, wenn die Preise trotz Aufklärung durch den:die Bieter:in für den:die Auftraggeber:in betriebswirtschaftlich nicht erklär- und nachvollziehbar sind (§ 138 Abs 5 BVergG 2018).
Instanz
Die Auftraggeberin schrieb Wasserbauarbeiten in einem Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung im Unterschwellenbereich aus. Das Angebot einer Bieterin betrug nur etwa 45% des geschätzten Auftragswerts. Nach einer vertieften Angebotsprüfung schied die Auftraggeberin das Angebot aus und begründete dies mit einer nicht plausiblen Zusammensetzung des Angebotspreises.
Das BVwG bestätigte diese Entscheidung, ohne selbst zu prüfen, ob die Preise angemessen waren. Die Bieterin focht das Urteil an und argumentierte, dass das BVwG keinen Sachverständigen beigezogen habe. Ein solcher hätte nach ihrer Ansicht die Plausibilität ihrer Kalkulation belegen können.
Sachverhalt
Der VwGH hob die Entscheidung des BVwG auf. Er stellte fest, dass die vertiefte Angebotsprüfung durch das BVwG weder ordnungsgemäß durchgeführt noch ausreichend begründet wurde.
Laut VwGH muss ein nachprüfendes Verwaltungsgericht unabhängig vom Ergebnis der Auftraggeberin die Preisgestaltung auf ihre betriebswirtschaftliche Erklär- und Nachvollziehbarkeit überprüfen. Dabei ist in der Regel eine sachverständige Beurteilung erforderlich. Es genügt nicht, sich nur auf die Prüfung der Auftraggeberin zu stützen.
Das BVwG hatte zwar festgehalten, dass der Angebotspreis wegen der nicht nachvollziehbaren Kalkulation einzelner Teilpreise nicht plausibel sei. Es legte jedoch nicht dar, worauf die Tatsachenfeststellungen beruhen, die für die Beurteilung der Plausibilität der Preise wesentlich sind. Da das BVwG keinen Sachverständigen beigezogen und ebenso wenig ausgeführt hatte, weshalb die Beiziehung gegenständlich nicht erforderlich war, leidet das Erkenntnis an einem wesentlichen Begründungsmangel.
Entscheidungsinhalt
Der VwGH stellt klar, dass eine vertiefte Angebotsprüfung nicht nur formal korrekt ablaufen, sondern auch inhaltlich nachvollziehbar begründet sein muss. Die bloße Übernahme der Einschätzung der Auftraggeberin reicht nicht aus. Ein Nachprüfungsgericht muss eigenständig prüfen, ob die Preisgestaltung betriebswirtschaftlich erklärbar ist – in der Regel unter Beiziehung sachverständiger Unterstützung. Fehlt eine solche oder wird nicht begründet, warum sie entbehrlich ist, kann dies zur Aufhebung der Entscheidung führen. Auftraggeber:innen und Nachprüfungsinstanzen sind daher verpflichtet, ihre Prüfungen sorgfältig zu dokumentieren und fachlich fundiert abzusichern.
Gregor Saxinger