Update Vergabe 15.05.2019

Wie unbehebbare Mängel behebbar werden

Wesenselement von unbehebbaren Angebotsmängeln ist, dass sie nicht verbessert werden können. Von diesem Grundsatz weicht der EuGH in einer aktuellen Entscheidung ab und arbeitet eine interessante Ausnahme heraus: Unbehebbare Mängel können behebbar werden, wenn die Ausschreibungsunterlagen die Vermeidung des Mangels „tatsächlich faktisch unmöglich“ machen. Konkret ging es um einen Ausscheidensgrund im italienischen Vergabegesetz, an dessen Verwirklichung der Auftraggeber nicht ganz unbeteiligt war…
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Rechtlicher Kontext

Nach dem italienischem Vergabegesetzbuch (Codice dei contratti pubblici) muss der Bieter im Angebot die Kosten für die Einhaltung der Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften am Arbeitsplatz (im Folgenden: Arbeitskosten) angeben. Unterlässt er die Angabe, liegt ein unbehebbarer Mangel vor und das Angebot ist auszuscheiden.

Im Anlassfall war dieser Ausscheidensgrund brisant, weil in den Ausschreibungsunterlagen keine Verpflichtung zur Angabe der Arbeitskosten vorgesehen war (Bieter diese Vorgabe somit nur aus dem Vergabegesetz selbst kennen konnten) und die zu verwendenden Formblätter nicht einmal die Möglichkeit eröffneten, diese Kosten anzugeben. Das zuständige Verwaltungsgericht stellte dem EuGH deshalb die Vorabentscheidungsfrage, ob der gesetzliche Ausscheidensgrund ohne Möglichkeit der Mangelbehebung den VergabeRL entspricht.

Auch wenn im BVergG 2018 kein entsprechender Ausscheidensgrund verankert ist, kann aus dem Urteil des EuGH einiges für den Umgang mit Ausscheidensgründen und Mängelbehebungen im österreichischen Vergaberecht gewonnen werden.

Instanz

Der EuGH erkannte in der gesetzlichen Verpflichtung zur Angabe der Arbeitskosten ohne Mangelbehebungsmöglichkeit eine VergabeRL-konforme eindeutige gesetzliche Regelung. Dass in den Ausschreibungsunterlagen nicht ausdrücklich die Angabe der Arbeitskosten gefordert worden war, war unerheblich. Die Ausschreibungsunterlagen hatten nämlich allgemein auf die Geltung jenes Vergabegesetzes verwiesen, das eine entsprechende Verpflichtung regelt. Alle „gebührend informierten und mit der üblichen Sorgfalt handelnden Bieter” waren somit nach Ansicht des Gerichtshofs in der Lage, von den einschlägigen Vergabevorschriften Kenntnis zu nehmen. Die Bieter hätten dementsprechend grundsätzlich die Arbeitskosten bereits im Angebot angeben müssen.

Die mangelnde Angabe der Arbeitskosten stellt nach dem italienischem Vergabegesetzbuch einen unbehebbaren Mangel dar. Nach Ansicht des EuGH ist jedoch ausnahmsweise eine Mangelbehebung doch zulässig, wenn es den Bietern aufgrund der Ausschreibungsunterlagen tatsächlich faktisch unmöglich war, die Arbeitskosten anzugeben. Im konkreten Fall war in den Formblättern, die zwingend für die Angebotslegung heranzuziehen waren, kein Raum für die Angabe der Arbeitskosten vorgesehen. Zudem war festgelegt, dass Bieter keine zusätzlichen Unterlagen vorlegen durften. Die Ausschreibungsunterlagen konnten somit bei den Bietern zu Unklarheiten führen, weil sie auf die Verpflichtungen des Vergabegesetzes verwiesen aber zugleich deren Einhaltung nicht zugelassen haben.

Ergebnis/Fazit

Dem Urteil des EuGH lassen sich mehrere für das österreichische Vergaberecht interessante Punkte entnehmen:

  • Hat der Auftraggeber einen Ausscheidensgrund provoziert, indem er dem Bieter die Einhaltung der Vorgaben „tatsächlich faktisch unmöglich“ macht, muss er allen betroffenen Bietern die Möglichkeit zur Mangelbehebung geben. In der Praxis wird das am ehesten bei der Preisgestaltung relevant sein: zB Wenn – ähnlich wie im gegenständlichen Fall – im Preisblatt die anzubietenden Preiselemente genau vorgegeben sind und danach das Fehlen von zusätzlichen Preiselementen moniert wird. Oder wenn das Preisblatt auf ein Excel-Dokument des Auftraggebers mit fehlerhaften Formeln basiert und die Angebote daraufhin rechnerisch fehlerhaft sind.
  • Der EuGH begründet seine Entscheidung auch damit, dass die Ausschreibungsunterlagen zu Unklarheiten geführt haben, wenn sie auf die Verpflichtungen des Vergabegesetzes verwiesen aber zugleich deren Einhaltung nicht zulassen. Das passt mit dem österreichischen System der Interpretation von Ausschreibungsunterlagen zusammen, wonach gemäß § 915 ABGB Unklarheiten nicht zulasten der Bieter ausgelegt werden dürfen.
  • Interessant ist auch, dass im Urteil auf einen möglichen Widerruf des Vergabeverfahrens nicht eingegangen wird. Immerhin liegt eine vom Auftraggeber mit den Ausschreibungsunterlagen verursachte Unklarheit vor, die dazu geführt hat, dass mehrere Bieter einer gesetzlichen Verpflichtung nicht nachgekommen sind. Der EuGH weist aber sogar darauf hin, dass die Bieter in diesem Fall die Möglichkeit der Nachreichung der Kostenangaben erhalten müssen. Daraus kann geschlossen werden, dass in Einzelfällen Fehler in der Ausschreibung noch durch die Zulassung der Mangelbehebung saniert werden können (und in diesem Fällen kein Widerruf des Vergabeverfahrens erforderlich ist).

Karlheinz Moick

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