Update Vergabe 11.04.2019

Geldbuße: Das Rechtsgutachten als Milderungsgrund

Unzulässige Vergaben ohne vorherige Bekanntmachung führen regelmäßig zu Geldbußen. Sichert der Auftraggeber seine Vorgehensweise mit einem Rechtsgutachten ab, schützt ihn das zwar nicht vor einer allfälligen Unzulässigkeit. Der VwGH lässt Rechtsgutachten aber (unter bestimmten Voraussetzungen) als Milderungsgrund für die Höhe der Geldbuße gelten.
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Rechtlicher Kontext

Stellt ein Nachprüfungsgericht fest, dass ein Vergabeverfahren rechtswidrigerweise ohne vorherige Bekanntmachung durchgeführt wurde, so hat es den zustande gekommenen Vertrag für nichtig zu erklären, es sei denn, der Aufhebung stehen zwingende Gründe des Allgemeininteresses entgegen. In einem solchen Fall hat das Gericht alternative Sanktionen zu verhängen, in aller Regel die Festsetzung einer angemessenen Geldbuße. Bei der Bemessung der Höhe der Geldbuße sind Milderungs- und Erschwerungsgründe zu berücksichtigen (§ 356 BVergG 2018).

Instanz

Eine Auftraggeberin vergab ausschreibungsfrei die Implementierung einer Individualsoftware. Sie stützte Ihre Vorgehensweise auf ein Rechtsgutachten der Finanzprokuratur, wonach erstens das BVergG mangels Entgeltlichkeit nicht anwendbar wäre und zweitens die Voraussetzungen der vergabefreien interkommunalen Zusammenarbeit vorliegen würden.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) beurteilte die Vorgehensweise jedoch als unzulässige Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung. Das Gericht sah von der Aufhebung des Vertrags ab und verhängte stattdessen eine Geldbuße iHv EUR 90.000,-. Als mildernd wurde die bisherige Unbescholtenheit des Auftraggebers bewertet. Das vom Auftraggeber eingeholte Rechtsgutachten wurde zwar grundsätzlich ebenfalls als Milderungsgrund qualifiziert. Zugleich erklärte das BVwG allerdings, dass sich der Auftraggeber nicht allein auf die Ausführungen des Gutachtens hätte verlassen dürfen und einem sorgfältigen Auftraggeber diese Rechtswidrigkeit hätte auffallen müssen. Dieser Umstand wurde wiederum als erschwerend bewertet, wodurch der Milderungsgrund des Rechtsgutachtens relativiert wurde.

Entscheidungsinhalt

Der VwGH hob das Erkenntnis des BVwG auf. Er begründete seine Entscheidung ua mit der Relativierung des Gutachtens. Zwar könne ein eingeholtes Gutachten dann nicht (bzw. nur eingeschränkt) als Milderungsgrund herangezogen werden, wenn die dem Gutachten zugrunde liegenden Annahmen mit der tatsächlichen vertraglichen Ausgestaltung nicht (bzw. nur teilweise) übereinstimmen. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Interkommunalen Zusammenarbeit waren aber keine diesbezüglichen Umstände ersichtlich.

Ergebnis/Fazit

Das Erkenntnis des VwGH zeigt auf, dass in rechtsunsicheren Situationen die Einholung von Rechtsgutachten ratsam ist. Auch wenn sie kein „Freibrief“ für die Vorgehensweise sind, senken sie in der Regel das Haftungsniveau. Bei der Bemessung der Höhe von Geldbußen stellen Rechtsgutachten dann einen Milderungsgrund dar, wenn die dem Gutachten zugrunde liegenden Annahmen mit der tatsächlichen Ausgestaltung übereinstimmen.

Praxistipp

Rechtsgutachten gehen mitunter von Annahmen aus, die im Vorfeld nicht genau geklärt wurden oder sich nachträglich noch geändert haben. Achten Sie darauf, dass der dem Gutachten zugrunde liegende Sachverhalt aktuell und vollständig ist. Falls notwendig, können Gutachten jederzeit aktualisiert werden.

Karlheinz Moick/Gabriel Kielbasa

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