Update Vergabe 12.09.2019

Ausschluss der Bietergemeinschaft bei Insolvenz eines Mitglieds

VwGH: In offenen Verfahren genügt die Insolvenz nur eines Mitglieds einer Bietergemeinschaft für deren zwingenden Ausschluss vom Vergabeverfahren. Im konkreten (grenzüberschreitenden) Fall erfüllte bereits der Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens den Ausschlussgrund.
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Rechtlicher Kontext

Eine Sektorenauftraggeberin vergab in einem offenen Verfahren Bauleistungen und erteilte den Zuschlag an eine Bietergemeinschaft bestehend aus vier Unternehmern. Vor Zuschlagserteilung hatte allerdings eines der Mitglieder der Bietergemeinschaft in Italien einen sogenannten Antrag auf Zulassung zu einem Ausgleichsverfahren gestellt. Dies veranlasste andere am Vergabeverfahren beteiligte Bieter zur Erhebung eines Rechtsmittels gegen die Zuschlagserteilung zugunsten der Bietergemeinschaft.

Instanz

Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines am Vergabeverfahren Beteiligten begründet einen Ausschlussgrund (§§ 78 und 249 BVergG 2018). Bzgl der Insolvenz nur eines Mitglieds einer Bietergemeinschaft bestanden bis dato scheinbar unterschiedliche Ansätze der Höchstgerichte: Während der VwGH in ständiger Rsp die Aufrechterhaltung der Zuverlässigkeit bei sämtlichen Mitgliedern der Bietergemeinschaft forderte (vgl VwGH 09.09.2015, Ro 2014/04/0062), sah der EuGH in einem speziellen Fall den Wegfall eines Mitglieds einer Bietergemeinschaft als zulässig an (EuGH 24.05.2016, C-396/14, MT Hojgaard und Züblin).

Der VwGH bleibt nun seiner Rechtsprechung treu: Eine Bietergemeinschaft ist bei Insolvenz eines ihrer Mitglieder auszuschließen. Die Rechtsprechung des EuGH, wonach bei Wegfall eines Mitglieds einer Bietergemeinschaft diese weiter am Verfahren teilnehmen könne, gelte nur in Verhandlungsverfahren, wo die Bietergemeinschaft in der neuen Konstellation (bzw der verbliebene Einzelbieter) erneut ein Angebot legen könne. In einem offenen Verfahren, in dem eine Bietergemeinschaft bereits ihr Angebot gelegt hat, führt der nachträgliche Wegfall eines Mitglieds der Bietergemeinschaft jedoch zur Rechtswidrigkeit eines Zuschlags auf deren Angebot.

Hinsichtlich des konkreten Ausschlusstatbestands bestätigte der VwGH, dass das fragliche italienische Insolvenzverfahren als „Insolvenzverfahren“ iSd BVergG zu qualifizieren ist. Da der Begriff des Insolvenzverfahrens im Lichte des Unionsrechts auszulegen ist, stützte sich der VwGH auf die Insolvenzverordnung der EU (VO 2015/848/EU). In deren Anhang A sind für jeden Mitgliedstaat die Insolvenzverfahren aufgezählt; für Österreich sind dies das Konkurs-, Schuldenregulierungs-, Abschöpfungs-, Ausgleichs- und das Sanierungsverfahren mit oder ohne Eigenverwaltung.

Die Auftraggeberin hatte argumentiert, dass vor Zuschlagserteilung noch gar kein Insolvenzverfahren eingeleitet, sondern nur ein Antrag auf dessen Eröffnung gestellt worden war. Der VwGH sah allerdings dennoch einen Ausschlussgrund verwirklicht. Bereits die Antragstellung habe nämlich die Beschneidung gewisser Gläubigerrechte zur Folge. Außerdem indiziere die durch den Betroffenen selbst erfolgte Antragstellung, dass er sich in wirtschaftlichen Turbulenzen befindet. Begründend stützte sich der VwGH auf die Entscheidung des EuGH vom 28.03.2019, C-101/18, Idi Srl (siehe dazu den FSM Update Vergabe-Beitrag). Fraglich ist, ob dies vor diesem Hintergrund auch in Österreich bereits die Antragstellung auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens einen Ausschlussgrund begründet. Die Verfahren nach der österreichischen IO werden schließlich mit Eröffnungsbeschluss eröffnet. Eine Klärung durch die Verwaltungsgerichte bleibt abzuwarten.

Ergebnis/Fazit

  • Eine Bietergemeinschaft ist bei Insolvenz auch nur eines ihrer Mitglieder auszuschließen. Etwas anderes kann ggf in Verhandlungsverfahren gelten, sofern die Bietergemeinschaft in der verringerten Zusammensetzung ein weiteres Angebot einreichen kann.
  • Ob ein Insolvenzverfahren über das Vermögen eines Bieters iSd BVergG eröffnet wurde, richtet sich – insb bei ausländischen Bietern – nach der EU-InsVO, die für jedes Land die „Insolvenzverfahren“ aufzählt.
  • Entsprechend der Rsp des EuGH genügt die Antragstellung auf Einleitung eines Verfahrens bereits für den Tatbestand „Eröffnung eines Insolvenzverfahrens“, wenn:
    (i) die Antragstellung bereits eine Auswirkung auf die Rechtsposition der Gläubiger hat und
    (ii) aus der Antragstellung bereits auf wirtschaftliche Turbulenzen im Unternehmen des Bieters geschlossen werden kann, was etwa bei einem Antrag des betroffenen Bieters der Fall ist.

Sebastian Feuchtmüller / Gabriel Kielbasa

 

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