Update Vergabe 12.06.2019

Neues zu Vergaben im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV)

In den letzten neun Monaten sind nicht weniger als neun höchstgerichtliche Urteile zu Vergaben im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) ergangen. Wir haben diese analysiert und geben einen Überblick, was aktuell bei ÖPNV-Ausschreibungen zu beachten ist.
  • EuGH
  • VwGH
  • BVwG / LVwG
  • Sonstiges
Novelty
5 out of 5

Rechtlicher Kontext

Werden ÖPNV-Leistungen benötigt, stellt sich vorab die Frage, nach welchen Regelungen die Vergabe zu erfolgen hat. Sind vorrangig die Regelungen der Verordnung 1370/2017 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße (PSO-VO) anzuwenden oder ist das Verfahren nach den Bestimmungen des BVergG 2018 abzuwickeln?

Das anzuwendende Regime hängt davon ab ob ÖPNV-Leistungen für den Straßenbereich (Bus und Straßenbahn) oder Schienenbereich (Eisenbahn und U-Bahn) benötigt werden. Im Straßenbereich ist zudem wesentlich, ob die Leistungen als Dienstleistungsauftrag oder als Dienstleistungskonzession ausgeschrieben werden.

ÖPNV-Leistungen im Straßenbereich

Werden öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen oder Straßenbahnen als Dienstleistungsauftrag vergeben, sind vorrangig die Bestimmungen des BVergG 2018 anzuwenden. Auch für unmittelbare Vergaben (wie zB In-House-Vergaben oder Direktvergaben) gelten die Vorgaben des BVergG 2018  und nicht die Regelungen der PSO-VO über unmittelbare Vergaben (etwa Vergaben an interne Betreiber nach Art 5 Abs 2 PSO-VO oder Zusatzaufträge nach Art 5 Abs 5 PSO-VO; EuGH 21.03.2019 C-266/17 und C-267/17; 08.05.2019 C-253/18). Andere Bestimmungen der PSO-VO hingegen schon (insbesondere Regelungen über die Vorinformationspflicht).

Werden öffentliche Personenverkehrsdienste mit Bussen oder Straßenbahnen hingegen als Dienstleistungskonzession vergeben, sind die Bestimmungen der PSO-VO vorrangig anzuwenden. Bei der Vergabe einer Dienstleistungskonzession hat der Auftraggeber die Wahl, ob er ein wettbewerbliches Verfahren (Art 5 Abs 3 PSO-VO) oder ein Sonderverfahren nach der PSO-VO (unmittelbare Vergaben wie etwa direkte Vergabe an interne Betreiber gemäß Art 5 Abs 2) durchführt. Darüber hinaus sind zu den Regelungen der PSO-VO aber noch einige Bestimmungen des BVergKonz 2018 zu berücksichtigen. ZB ergeben sich die Vorgaben zu den Grundsätzen des Konzessionsvergabeverfahrens, zur Einhaltung der arbeits-, sozial- und umweltrechtlichen Bestimmungen, zur Eignung von Unternehmern oder zu den Modalitäten der Veröffentlichung aus den einschlägigen Bestimmungen des BVergKonz (vgl § 25 BVergKonz).

ÖPVN-Leistungen im Schienenbereich

Werden öffentliche Personenverkehrsdienste per Eisenbahn oder U-Bahn vergeben, sind vorrangig die Bestimmungen der PSO-VO anzuwenden.

Bei der Vergabe von öffentlichen Personenverkehrsdiensten per Eisenbahn oder U-Bahn (unabhängig davon, ob es sich um einen Dienstleistungsauftrag oder eine Dienstleistungskonzession handelt) hat der Auftraggeber die Wahl, ob er ein wettbewerbliches Verfahren (Art 5 Abs 3 PSO-VO) oder ein Sonderverfahren nach der PSO-VO (unmittelbare Vergaben wie etwa direkte Vergabe an interne Betreiber gemäß Art 5 Abs 2) durchführt . Eine unmittelbare Vergabe im Wege der Direktvergabe nach Art 5 Abs 6 PSO-VO ist nur im Eisenbahnverkehr (und nicht für U-Bahn-Verkehr) zulässig (VwGH 30.01.2019, Ra 2016/04/0134; 22.03.2018, Ra 2017/04/0104; BVwG 01.02.2019, W134 2210862-2/26E).

Zusätzlich zu den Vorgaben der PSO-VO sind – je nachdem ob ein Dienstleistungsauftrag- oder Dienstleistungskonzession vorliegt – einzelne Bestimmungen des BVergG 2018 bzw BVergKonz 2018 zu berücksichtigen. ZB ergeben sich die Vorgaben zur Einhaltung der arbeits-, sozial- und umweltrechtlichen Bestimmungen, zur Eignung von Unternehmern oder zu den Modalitäten der Veröffentlichung aus den einschlägigen Bestimmungen des BVergG bzw des BVergKonz (vgl § 151 Abs 2 BVergG bzw § 25 Abs 2 BVergKonz).

Instanz

Was ist bei der Vorinformation zur Vergabe von ÖPNV-Leistungen zu beachten?

Jeder Auftraggeber muss ein geplantes Vorhaben im ÖPNV-Bereich spätestens ein Jahr vor einer Direktvergabe oder Einleitung eines wettbewerblichen Verfahrens EU-weit bekanntmachen. Die Verpflichtung zur Veröffentlichung dieser Vorinformation ergibt sich direkt aus der PSO-VO (Art 7 Abs 2 PSO-VO). Diese Vorinformationspflicht gilt auch bei der Vergabe eines Dienstleistungsauftrags über den öffentlichen Personenverkehr mit Bussen oder Straßenbahnen, obwohl auf diesen grundsätzlich die Bestimmungen des BVergG 2018 – somit auch die Bekanntmachungspflichten – anzuwenden sind (EuGH 20.09.2018, C-518/17; VwGH 21.11.2018, Ra 2016/04/0115). Der EuGH stellte bereits fest, dass abgesehen von den Regelungen über die unmittelbare Vergabe (zB Direktvergabe, Vergabe an interne Betreiber gemäß Art 5 PSO-VO) alle Bestimmungen der PSO-VO auch auf Dienstleistungsaufträge im Straßenbereich anzuwenden sind (EuGH 27.10.2016, C-292/15 Hörmann Reisen).

Nach der PSO-VO muss die Vorinformation mindestens die folgenden Informationen enthalten:

  • Namen und Anschrift der zuständigen Behörde;
  • Art des geplanten Vergabeverfahrens;
  • von der Vergabe möglicherweise betroffene Dienste und Gebiete.

Diese Informationen müssen so detailliert sein, dass sie es einem potentiellen Bieter ermöglichen, in Grundzügen seine Ressourcen einzuschätzen, zu planen, zu kalkulieren und sich auf Basis dieser Überlegungen an den Auftraggeber zu wenden. In der Vorinformation ist daher anzugeben, welche Linien in welcher Region bestellt werden sollen (VwGH 01.10.2018, Ra 2015/04/0060).

Vorinformationen, die die erforderlichen Informationen gar nicht oder nicht in dem oben beschriebenen Detaillierungsgrad enthalten, sind falsch und lösen die Einjahresfrist nicht aus. Erst eine Richtigstellung einer an sich falschen Vorinformation kann die Einjahresfrist auslösen. GGf muss mit einer Richtigstellung zur Wahrung der Einjahresfrist auch der vorgesehene Zeitpunkt für die Ausschreibung oder die Direktvergabe geändert werden. Eine Berichtigung einer richtigen und ordnungsgemäß veröffentlichten Vorinformation löst die Einjahresfrist demgegenüber nicht erneut aus. (VwGH 01.10.2018, Ra 2015/04/0060).

Welche Folgen zieht eine Verletzung der Vorinformationspflicht nach sich?

Eine Verletzung der Vorinformationspflicht führt nicht immer zur Aufhebung der beabsichtigten Ausschreibung. Die unionsrechtlichen Vorgaben sehen keine spezifischen Bestimmungen in Bezug auf einen Verstoß gegen die Vorinformationspflicht vor. Laut EuGH führt die Verletzung der Vorinformationspflicht dann nicht zur Aufhebung der betroffenen Ausschreibung, wenn die Grundsätze der Äquivalenz, der Effektivität und der Gleichbehandlung beachtet werden. Maßgeblich ist auch, nach welcher Verfahrensart eine Vergabe abgewickelt wird (EuGH 20.09.2018, C-518/17).

Bei Direktvergaben, die ohne vorherige Bekanntmachung erfolgen, wird eine Verletzung der Vorinformationspflicht idR zu einer Aufhebung führen. Ohne Vorinformation besteht nämlich die Gefahr, dass ein Unternehmer überhaupt keine Kenntnis vom Vergabeverfahren erlangt, weil dieses – wenn überhaupt – erst mit Durchführung der Direktvergabe bekannt wird. Eine fehlende Vorinformation führt daher zu einer Ungleichbehandlung von Unternehmern. Bei anderen Vergabeverfahren mit Bekanntmachungen muss im Einzelfall geprüft werden, ob einem interessierten Unternehmer trotz fehlender Vorinformation ausreichend Zeit für die Vorbereitung für die Teilnahme am Vergabeverfahren zur Verfügung steht bzw ob es durch die unterlassene Vorinformation zu einer Benachteiligung gegenüber anderen kommt. Eine Benachteiligung kann dann nicht angenommen werden, wenn dem Wirtschaftsteilnehmer eine über die Mindestfrist hinausgehenden Angebotsfrist (im Ausgangsfall 49 Tage ab Veröffentlichung der Bekanntmachung) zur Vorbereitung eingeräumt wurde (VwGH 21.11.2018, Ra 2016/04/0115).

Sophie-Anna Werzin

WordPress Cookie Notice by Real Cookie Banner