Update Vergabe 13.11.2019

VwGH: Angebot wird ausgeschieden, trotzdem Mitteilung der Zuschlagsentscheidung?

Laut Antragstellerin sei es tägliche Vergabepraxis von Auftraggebern: „Das Angebot eines Bieters wird ausgeschieden. Noch während die Anfechtungsfrist läuft, wird den übrigen Bietern die Zuschlagsentscheidung mitgeteilt“. Der VwGH erklärt diese Vorgehensweise nun endgültig für unzulässig – in der Begründung hakt es allerdings.
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Rechtlicher Kontext

Vor Auftragserteilung haben Auftraggeber den im Vergabeverfahren „verbliebenen Bietern“ die Zuschlagsentscheidung mitzuteilen (§ 143 BVergG 2018 – § 131 BVergG 2006 enthielt eine nahezu idente Bestimmung). Die Mitteilung der Zuschlagsentscheidung soll die Überprüfung dieser Entscheidung in einem Nachprüfungsverfahren ermöglichen bevor der Zuschlag erteilt wird.

Wem die Zuschlagsentscheidung mitzuteilen ist, wurde von der Judikatur zunächst uneinheitlich beantwortet: Gelten ausgeschiedene Bieter, welche die Ausscheidensentscheidung angefochten haben, als „verbliebene Bieter“ (im Sinne des § 143 BVergG 2018)? Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung sind Bieter als „verblieben“ anzusehen sind, solange das Ausscheiden des Angebots nicht rechtskräftig ist (23.11.2016, Ra 2015/04/0029). In einer früheren Entscheidung hatte der VwGH dies noch anders gesehen (VwGH 09.08.2010, AW 2010/04/0024). Ein Paradigmenwechsel trotz unveränderter Gesetzeslage?

Sachverhalt

Ein regionaler Abwasserverband vergab Bauleistungen zum Ausbau einer Kläranlage in einem offenen Verfahren. Eine Bieterin focht die Entscheidung der Auftraggeberin, ihr Angebot auszuscheiden, beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) an.

Um sich abzusichern stellte die Bieterin einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (eV): Das BVwG solle dem Auftraggeber untersagen, eine Zuschlagsentscheidung zu fällen. Die Bieterin argumentierte, die eV sei aus Rechtsschutzgründen notwendig, „weil es gängige Praxis unter Auftraggebern sei, den auch noch nicht rechtskräftig ausgeschiedenen Bietern die Zuschlagsentscheidung nicht mitzuteilen“. Das BVwG wies allerdings die eV zurück, weil sie ohnehin als verbliebene Bieterin von der Zuschlagsentscheidung zu informieren sei und dagegen noch einen Nachprüfungsantrag einbringen könne. Dagegen richtete sich die Revision an den VwGH.

Entscheidung des VwGH

Der VwGH wies die Revision zurück. Seiner Ansicht nach sei es ständige Rechtsprechung, dass noch nicht rechtskräftig ausgeschiedene Bieter als verbliebene Bieter anzusehen sind und daher zur Sicherung ihrer Rechte keine eV benötigen; sie könnten ja die ihnen mitzuteilende Zuschlagsentscheidung bekämpfen. Eine (behauptete) davon abweichende – rechtswidrige – Vergabepraxis könne an der klaren Rechtslage nichts ändern.

Interessantes Detail: Der VwGH stützte seine Argumentation auf die BVergG-Novelle 2010, welche die diesbezüglichen Bestimmungen modifiziert hätte. Seitdem seien Auftraggeber nämlich verpflichtet, die Zuschlagsentscheidung auch an – noch – nicht rechtskräftig ausgeschiedene Bieter zu übermitteln. Die vor der Novelle 2010 ergangenen Entscheidungen seien demnach unbeachtlich. Ein Blick in die „Urfassung“ des § 131 BVergG 2006 zeigt allerdings, dass bereits dort die Verpflichtung des Auftraggebers zur Übermittlung der Zuschlagsentscheidung an verbliebene Bieter vorgesehen war. In den Erläuterungen dazu war auch klar festgehalten, dass verbliebene Bieter jene Bieter sind, […] „deren Angebote zwar ausgeschieden wurden, jedoch die Ausscheidensentscheidung noch nicht rechtskräftig ist“. Somit bestand die Verpflichtung zur Übermittlung der Zuschlagsentscheidung an noch nicht rechtskräftig ausgeschiedene Bieter bereits eindeutig vor der BVergG-Novelle 2010 und es ist nicht nachvollziehbar, woran der VwGH die Änderung seiner Rechtsprechung inhaltlich festmacht.

Praxistipp

Wird mit der Mitteilung der Zuschlagsentscheidung bis zum Ablauf der Anfechtungsfrist für die Ausscheidensentscheidung (in der Regel 10 Tage) zugewartet, tritt Rechtskraft ein und den ausgeschiedenen Bietern ist die Zuschlagsentscheidung nicht mehr mitzuteilen. Wird hingegen auf die Mitteilung bei „verbliebenen Bietern“ (also noch nicht rechtskräftig ausgeschiedenen Angeboten) vergessen, darf der Auftraggeber bei sonstiger absoluter Nichtigkeit den Zuschlag nicht erteilen (§ 144 Abs 1 BVergG 2018).

Karlheinz Moick / Gabriel Kielbasa

 

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