Gute Freunde, strenge Rechnung: Neuregelung des Zahlungsverzugs im Geschäftsverkehr
Verspätete Zahlungen können nicht nur einzelne Unternehmer:innen in die Bredouille bringen. Sie gefährden auch die Wettbewerbsfähigkeit der EU insgesamt. Die Europäische Kommission möchte dieses Problem mit einer neuen „Verordnung zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr“ in den Griff bekommen. Unter anderem sollen maximale Zahlungsfristen verkürzt werden.- EuGH
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Rechtlicher Kontext
Unpünktliche Zahlungen beeinträchtigen die Planungsmöglichkeiten der Gläubiger. Sie können Einbußen in der Liquidität bewirken oder einen höheren Bedarf an Fremdkapital zur Folge haben. Bei einem aktuellen Leitzins in Höhe von 4,5% nicht unproblematisch. Der vermeintlich einfache Zahlungsverzug kann also Kettenreaktionen auslösen. Probleme, die die aktuell in Geltung stehende Richtlinie (2011/7/EU) nicht lösen konnte, vor allem weil sie in den einzelnen Mitgliedsstaaten uneinheitlich umgesetzt worden war. Die neue Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr wird unmittelbar gelten und soll europaweit einheitliche Standards schaffen.
Instanz
Die neuen Regeln sollen für Zahlungen im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern (B2B) und zwischen Unternehmern und öffentlichen Stellen (G2B) gelten, sofern die öffentliche Stelle Schuldner ist. Betroffen sind Liefer- und Dienstleistungsverträge, wobei die Planung und Ausführung öffentlicher Bauarbeiten und Hoch- und Tiefbauarbeiten auch erfasst werden.
Ausgenommen sind Verbraucher, Schadenersatzzahlungen (inkl Zahlungen von Versicherungsgesellschaften) und Zahlungen im Rahmen von Insolvenz- und Restrukturierungsverfahren.
Sachverhalt
Zahlungsfrist: Die Zahlungsfrist darf ab Eingang der Rechnung und Erhalt der Ware/Dienstleistung 30 Kalendertage nicht überschreiten. Um Umgehungen zu verhindern, dürfen Abnahme- und Überprüfungsverfahren nicht mehr inflationär vorgesehen werden; Besonderheiten der Ware bzw Dienstleistung müssen ein solches Verfahren erforderlich machen. In diesem Fall sind die Einzelheiten des Abnahme- oder Überprüfungsverfahrens, sowie die vorgesehene Dauer, genau zu beschreiben. Allerdings dürfen auch dafür nur maximal 30 Tage vorgesehen werden. Die Erleichterung für den Bereich von Gesundheitsdienstleistungen, wo derzeit noch bis zu 60 Tage Zahlungsfrist möglich sind, soll entfallen.
Öffentliche Bauaufträge und Subunternehmer:innen: Auftragnehmer:innen haben bei Bauaufträgen öffentlichen Auftraggeber:innen nachzuweisen, dass sie die Vorgaben der Verordnung gegenüber ihren (am konkreten Auftrag beteiligten) Subunternehmer:innen einhalten. Werden Zahlungen zu spät geleistet oder keine Nachweise übermittelt, müssen Auftraggeber:innen die Durchsetzungsbehörde informieren.
Verzugszinsen: Es sind Verzugszinsen in Höhe des Bezugszinssatzes zzgl acht Prozentpunkten zu zahlen. Die Mitgliedstaaten und die Europäische Kommission („EK“) werden die aktuellen Verzugszinssätze veröffentlichen. Der Anspruch auf die Verzugszinsen entsteht automatisch und kann nicht abbedungen werden. Dasselbe gilt für die pauschale Entschädigung der Betreibungskosten iHv EUR 50,-. Tatsächlich entstandene Betreibungskosten können darüber hinaus geltend gemacht werden.
Nichtigkeit abweichender Festlegungen: Es gilt die Nichtigkeit von Vertragsklauseln und -praktiken, die Regelungen zur Zahlungsfrist (einschließlich des Abnahme- oder Überprüfungsverfahrens) torpedieren und das Recht auf Verzugszinsen oder die Entschädigung der Betreibungskosten einschränken. Auch sonstige Verzögerungen bei der Rechnungsübermittlung sind nichtig.
Entscheidungsinhalt
Jeder Mitgliedstaat muss ein schnelles und wirksames Verfahren zur Durchsetzung der Forderungen sicherstellen. Es ist eine öffentliche Stelle zu benennen, die ihre Aufgaben objektiv und fair wahrnimmt und die Gleichbehandlung aller Akteure gewährleistet.
Auch die freiwillige Nutzung wirksamer und unabhängiger alternativer Streitbeilegungsmechanismen ist zu fördern. Die Verordnung präferiert das Mediationsverfahren. „Streitparteien sollen ermutigt werden, selbst eine Lösung zu finden“, was die Mediation von klassischen Schlichtungs- und Schiedsverfahren unterscheidet.
In einer Folgenabschätzung prognostiziert die EK, dass Unternehmen durch Etablierung eines „Mediationssystems zur Beilegung von Zahlungsstreitigkeiten im Geschäftsverkehr“ rund EUR 27.000.000,- an Kosten für Gerichtsverfahren einsparen würden. Gleichzeitig können die Mitgliedstaaten eine Entlastung der Gerichtssysteme bewirken. Neben wirtschaftlichen Vorteilen sind es allen voran die Chancen auf eine zügige Beilegung unter Aufrechterhaltung der guten Geschäftsbeziehung, die die Etablierung eines Mediationssystems erstrebenswert machen.
Ergebnis/Fazit
Aktuell liegt nur ein Entwurf der Verordnung vor. Sie soll auch erst zwölf Monate nach ihrem Inkrafttreten gelten. Ein brisantes Detail hält der letzte Absatz bereit:
Zum Schutz der Gläubiger soll die Verordnung auch für Geschäftsvorgänge gelten, die nach ihrem Inkrafttreten zu zahlen sind, selbst wenn der betreffende Vertrag vor ihrem Inkrafttreten unterzeichnet wurde.
Christoph Juricek