Update Vergabe 09.12.2020

Nichtige Bekanntmachung bei Verwendung falscher CPV-Codes

Eine Auftraggeberin gab in der Bekanntmachung über die Beschaffung von „Sanitärmaterial“ (Seifenspender, etc) einen falschen CPV-Code an, nämlich jenen für „Sanitärerzeugnisse“ (Waschbecken, etc). Der VwGH leitete daraus die Rechtswidrigkeit des gesamten Vergabeverfahrens ab. Worauf Sie bei der Wahl des richtigen CPV-Codes aufpassen müssen.
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Rechtlicher Kontext

Auftraggeberinnen haben bei der Durchführung von Vergabeverfahren und bei der Erstellung von Statistiken zwingend die jeweils aktuellen Bezeichnungen und Codes des Common-Procurement-Vocabulary – kurz CPV – zu verwenden, insb bei der Erstellung von Bekanntmachungen und bei der Beschreibung des Auftragsgegenstands (§§ 30 und 202 BVergG). Dabei handelt es sich um ein Klassifikationssystem der verschiedenen Auftragsgegenstände basierend auf der VO (EG) 2195/2002. Die CPV-Codes sind eine Zahlenabfolge und werden wie folgt unterteilt (Bsp Sanitärerzeugnisse):

Ausgangssachverhalt

Eine Auftraggeberin führte im Oberschwellenbereich ein Verhandlungsverfahren mit vorheriger Bekanntmachung zum Abschluss einer Rahmenvereinbarung durch. Der Leistungsgegenstand war laut Ausschreibungsunterlagen die Zurverfügungstellung, Montage, Wartung, Reparatur und/oder Austausch von Papierhandtuchspendern, Seifenspendern und WC-Duftspendern samt Lieferung der dazugehörigen Verbrauchsmaterialien. Die Bezeichnung des Auftrags in der Auftragsbekanntmachung lautete „Sanitärmaterial“ und die Kurzbeschreibung des Auftrags: „Lieferung unterschiedlicher Sanitärmaterialien, Spender für diese Materialien und die Wartung bzw Reparatur der Spender, sowie deren Austausch im Bedarfsfall“. Die Auftraggeberin wählte den CPV-Code 44411000 (Sanitärerzeugnisse), der als Präzisierungen Produkte wie Wasserhähne, Badewannen, Waschbecken, WCs etc beinhaltet. Der Abschluss der Rahmenvereinbarung wurde anschließend bekannt gegeben, wobei hierfür die Daten aus der Auftragsbekanntmachung übernommen wurden

Entscheidungen BVwG und VwGH

Die Antragstellerin begehrte die Feststellung der rechtswidrigen Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung. Es liege aufgrund der erheblichen Abweichung des tatsächlichen Auftragsgegenstands (Hygieneartikel) und des gewählten CPV-Codes für Sanitärerzeugnisse keine rechtswirksame Bekanntmachung vor. Das BVwG folgte der Ansicht der Antragstellerin und stellte aufgrund der Wahl des falschen CPV-Codes die Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne vorherige Bekanntmachung fest. Dabei stützte sich das BVwG auf die Rechtsprechung zur Auslegung von Willenserklärungen (zB Bekanntmachungen) und den dabei maßgeblichen objektiven Erklärungswert für einen durchschnittlich fachkundigen und gewöhnlich sorgfältigen Bieter. Ein solcher Bieter werde sich nämlich stets am CPV-Code orientieren und hätte im gegenständlichen Fall aufgrund der Bezeichnung „Sanitärmaterial“ in Kombination mit dem gewählten CPV-Code eine Beschaffung von unter diesen CPV-Code fallenden Leistungen angenommen (somit Wasserhähne, Badewannen, Waschbecken etc).

Der VwGH bestätigte die Rechtsauffassung des BVwG. Bei der Frage, ob ein konkreter Leistungsabruf in der Rahmenvereinbarung Deckung findet, sei auf die Bekanntmachung bzw die bekannt gemachten Unterlagen abzustellen. „Aus Sicht des rechtsschutzsuchenden Unternehmens macht es nämlich keinen Unterschied, ob der Auftraggeber ein Verfahren gänzlich ohne Bekanntmachung durchführt oder ob sich der Auftraggeber bei einer Leistungsvergabe formal auf eine zuvor erfolgte Bekanntmachung beruft, diese aber keine Anhaltspunkte für die Vergabe des späteren Leistungsgegenstands lieferte. Die Angaben in der Bekanntmachung sollen es potentiellen Interessenten gerade ermöglichen, zu prüfen, ob ein bestimmtes Vergabeverfahren für sie von Interesse sein kann.“ Auf den Umstand, dass sich die Kurzbeschreibung des Auftrags in der Auftragsbekanntmachung mit dem tatsächlichen Leistungsgegenstand deckte, ging der VwGH nicht näher ein.

Fazit

Ein zu Beginn eines Vergabeverfahrens sorglos gewählter CPV-Code kann bis zu sechs Monate nach Bekanntgabe des vergebenen Auftrags mittels eines Feststellungsantrags aufgegriffen werden und allenfalls die Nichtigkeit des Vertrags begründen.
Auftraggeber sollten daher die Wichtigkeit der Wahl des richtigen CPV-Codes nicht verkennen. Denn ein trivialer Fehler kann die Nichtigkeit eines ansonsten korrekt durchgeführten Vergabeverfahrens bewirken. Wie wissenschaftliche Studien verdeutlichen, besteht diesbezüglich großer Handlungsbedarf bei einigen Auftraggebern.

Gabriel Kielbasa

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