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Update Vergabe 12.05.2022

EuGH: Ermessen bei der Festlegung von Eignungskriterien

Ein Bieter empfand bei einer Ausschreibung im Unterschwellenbereich die festgelegten Eignungskriterien als benachteiligend. Seiner Ansicht nach hätte der Auftraggeber bereits aus der Befugnis der Unternehmer:innen auch auf deren Leistungsfähigkeit schließen müssen und keine weitergehenden Anforderungen stellen dürfen. Das ratlose bulgarische Gericht fragte beim EuGH nach.
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Rechtlicher Kontext

Ein bulgarischer Bürgermeister beabsichtigte die Vergabe von Bauarbeiten im Unterschwellenbereich zur Stabilisierung eines Erdrutsches an einer zur Gemeinde führenden Straße. Einer der Bieter beklagte die aus seiner Sicht zu hohen Anforderungen an die technische Leistungsfähigkeit. Da sein Unternehmen nach den nationalen Rechtsvorschriften zur Durchführung der ausgeschriebenen Leistungen befugt sei, könne auch der Auftraggeber keine strengeren Anforderungen, wie eine bestimmte Mindesterfahrung der Schlüsselpersonen, fordern. Das angerufene bulgarische Gericht wollte sich nicht festlegen, ohne davor den zu befassen.  Das Gericht fragte in einem Vorabentscheidungsersuchen nach, ob ein Auftraggeber im Rahmen der Eignungskriterien etwas Strengeres fordern dürfe, als sich ohnehin aus nationalen Mindestvorgaben ergeben.

Instanz

Der EuGH antwortete in ungewohnter Klarheit: „Die eindeutige Antwort auf diese Frage lässt sich aus dem Wortlaut von Art 58 der Richtlinie 2024/24 entnehmen“. Demnach hat der öffentliche Auftraggeber ein Ermessen bei der Festlegung der Eignungsanforderungen. Dies gelte selbstverständlich auch für Vergaben im Unterschwellenbereich, auf die nur die allgemeinen Grundprinzipien der öffentlichen Auftragsvergabe zur Anwendung kommen.

Folglich kann einem öffentlichen Auftraggeber nicht mit der bloßen Begründung, eine Qualifikationsanforderung gehe über das von den nationalen Rechtsvorschriften verlangte Niveau der Mindestanforderungen hinaus, durch Art. 58 der Richtlinie 2014/24 verwehrt werden, diese Qualifikationsanforderung in der Bekanntmachung zu verlangen, sofern sie durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt ist, zu diesem verhältnismäßig ist […].“

Zwei Aspekte deuteten für den EuGH darauf hin, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall vorlagen: Zum einen stand die vom Auftraggeber geforderte Erfahrung der Schlüsselpersonen in direktem Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand. Zum anderen waren trotz des sehr niedrigen Auftragswerts drei Angebote eingelangt – was für die Verhältnismäßigkeit der Anforderung sprach.

Ergebnis/Fazit

Öffentlichen Auftraggebern kommt bei der Festlegung der Eignungskriterien ein weiter Ermessensspielraum zu. Auch im Unterschwellenbereich müssen die Kriterien aber mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und mit diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen.

 

Sebastian Feuchtmüller

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