Update Vergabe 11.02.2021

Brexit-Abkommen: Was ändert sich im öffentlichen Beschaffungswesen?

Mit dem Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union und dem Vereinigten Königreich konnten ein „No Deal“ abgewendet und die ab 01.01.2021 geltenden Bedingungen für die zukünftige Zusammenarbeit – auch im öffentlichen Beschaffungswesen – festgelegt werden.
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Rechtlicher Kontext

Die Bestimmungen der EU-Vergaberichtlinien sind seit dem 01.01.2021 nicht mehr auf britische (öffentliche) Auftraggeber und Wirtschaftsteilnehmer anzuwenden. Im Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der Europäischen Union (EU) und dem Vereinigten Königreich (UK) – Trade and Cooperation Agreement, kurz: TCA – sind unter dem Titel VI Öffentliches Auftragswesen samt Anhang PROC-1 die neuen Regelungen festgelegt.

Das TCA bestimmt im Wesentlichen die Geltung der Bestimmungen des General Procurement Agreement (GPA) der Welthandelsorganisation. Bei allen Beschaffungen, die über den im GPA festgelegten Schwellenwerten (diese sind je nach Auftraggeber 139 000 bis 438 000 EUR und bei Bauleistungen 5 350 000 EUR) liegen, kommt ein umfassendes Gleichbehandlungsgebot zur Anwendung. Das TCA erfasst über das das GPA hinausgehende Beschaffungen, zu denen Unternehmen aus der EU und dem UK ab dem 01.01.2021 auf den jeweiligen Märkten der anderen Seite Zugang haben werden. Zudem regelt das TCA, dass selbst außerhalb der vom TCA (und vom GPA) erfassten Beschaffungen eine Diskriminierung von solchen Unternehmen verboten ist, die eine Niederlassung in einem Mitgliedstaat der EU bzw. im UK haben.

Folgende Beschaffungen unterliegen nicht dem TCA:

  • Aufträge unterhalb der im GPA und im TCA festgelegten Schwellenwerte.
  • Bestimmte besondere Dienstleistungen des Gesundheits- und Sozialwesens, nämlich Dienstleistungen im Bereich der menschlichen Gesundheit (CPC 931), administrative Gesundheitsdienstleistungen (CPC 91122), Dienstleistungen der Bereitstellung von Krankenpflegepersonal und Dienstleistungen von medizinischem Personal (CPC 87206 und CPC 87209).
  • Dienstleistungskonzession.

In diesen Fällen müssen öffentliche Auftraggeber in EU-Mitgliedsstaaten britische Wirtschaftsteilnehmer bei Vergabeverfahren nicht zulassen. Dies gilt freilich auch umgekehrt.

In der Praxis wird abzuwarten sein, ob selbst im Falle einer fehlenden Verpflichtung der Zulassung tatsächlich ein Ausschluss von Wirtschaftsteilnehmern aus dem UK von Vergabeverfahren erfolgen wird – und in welchem Ausmaß EU-Wirtschaftsteilnehmer von britischen Vergabeverfahren ausgeschlossen werden. In bestimmten Fällen könnten die öffentlichen Auftraggeber den zusätzlichen Wettbewerb begrüßen und froh sein, weiterhin mit Anbietern aus den jeweils anderen Märkten zu verhandeln.

Instanz

Das neben dem TCA weiterhin in Geltung stehende Austrittsabkommen vom 17.10.2019 bestimmt in Art 76 die für bereits laufende Vergabeverfahren geltende Rechtslage. Auf Verfahren, die zum 31.12.2020 eingeleitet und noch nicht abgeschlossen waren, sind die EU-Vergaberichtlinien weiter anzuwenden. Ebenso gilt das EU-Vergaberecht für Rahmenvereinbarungen, die vor dem 31.12.2020 geschlossen wurden und am 31.12.2020 weder abgelaufen noch gekündigt waren.

Sophie Reiter-Werzin

 

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